Weihnachtswort
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Gedanken von Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ
zu Weihnachten 2024
Ständig ist von Krisen die Rede. Die Nachrichten und sozialen Medien sind voll davon. Es sind die großen politischen oder kriegerischen Ereignisse, die Schlagzeilen machen. Jede und jeder kennt sie, deswegen zähle ich sie nicht auf. Stattdessen möchte ich im Lichte von Weihnachten auf die unbeachteten Krisen hinweisen, die nicht im realen oder digitalen Scheinwerferlicht stehen.
Krisen lauern auch im Alltag, wenn ein geliebter Mensch schwer erkrankt oder sogar stirbt, sich Menschen trennen, jemand einsam ist, der Arbeitsplatz verloren geht, das Geld nicht mehr reicht. Es gibt viele bittere Anlässe, die uns Menschen hart aus der Bahn werfen und uns alle Zuversicht rauben können, die zeigen, wie brüchig das Leben oft ist. Doch was hat das mit Weihnachten zu tun?
Schauen wir mehr als zweitausend Jahre zurück: In der Bibel steht keine Heile-Welt-Geschichte. Als Jesus Christus geboren wurde, gab es Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. Jesus entstammt einer Flüchtlingsfamilie, zur Welt kam er in einem Bretterverschlag. Eine Idylle war das nicht. Trotzdem ist das Weihnachtsfest, wie es in der Bibel geschildert wird, voller Hoffnungszeichen.
Im Johannes-Evangelium ist von einem Licht die Rede, das die Finsternis erleuchtet (Joh 1,5). Der Evangelist Matthäus berichtet von einem Stern, der den richtigen Weg weist (Mt 2,2). Der Prophet Jesaja spricht von einem Freudenboten, der Frieden ankündigt, eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt (Jes 52,7). Im berühmten Weihnachtsevangelium nach Lukas gibt es einen Engel, der den Hirten sagt: Fürchtet euch nicht (Luk 2,10).
Diese Hoffnungszeichen weisen auf das Baby in der Krippe. Die Hoffnung gründet darauf, dass Gott Mensch geworden ist. Er ist nicht Mensch geworden, um uns Menschen alle Probleme aus dem Weg zu räumen. Dieser Säugling im Stall ist allein nicht lebensfähig, er ist winzig und verletzlich. Gerade dadurch berührt er uns. Er trifft unsere Herzen. Die Botschaft des Christkinds lautet Menschlichkeit.
Weihnachten ist die Einladung, auf unsere Mitmenschen zu achten. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat den Satz geprägt: Der Mensch wird am Du zum Ich. Damit meint Buber, dass wir Menschen soziale Wesen sind, die in der Begegnung zu anderen innerlich wachsen und unserem Leben dadurch Sinn verleihen. Kennzeichnend dafür ist eine Haltung der Solidarität und Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander.
Menschliche Wärme ist nicht nur in der biblischen Weihnachtserzählung, sondern auch in den Herausforderungen der heutigen Zeit das Licht, das die Dunkelheit erhellen kann. Jede und jeder von uns kann dieses Licht schenken. Schauen wir darauf, wer Unterstützung oder Trost gut gebrauchen kann, in unserem Umfeld, in der Nachbarschaft, dort, wo wir direkt etwas bewirken können. Sie und ich beenden keine gesellschaftlichen Krisen oder Kriege. Aber wir können helfen, die unbeachteten Krisen zu lindern, und das kann ganz viel wert sein.
Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten.
Ihr Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ