Ungleiche Brüder – oder: Nur mit dem Herzen sieht man gut

Ein Beitrag zum Experiment "Meine Heilige Schrift"

Wer Geschwister hat weiß, wie schnell man sich benachteiligt fühlt. Wer Kinder hat weiß, wie schwer es ist, allen gleichermaßen gerecht zu werden. Von derartigen Familienverwicklungen erzählt die Bibelstelle von Martin Schwedhelm. Sie lehrt ihn wahre Lebenskunst: Mancher Zündstoff kann nur durch Liebe entschärft werden.


Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen ...

Lukasevangelium 15,11–12


Meine Lieblingsstelle ist es nicht unbedingt – aber doch eine Stelle über die Liebe.

Liebe als souveräne, auch Dilemma aushaltende Zuwendung um des anderen willen und um meiner Beziehung zu einem anderen Menschen willen.

Durch den folgenden, inneren Dialog in der Auseinandersetzung mit dem Text aus dem Lukasevangelium 15,11–32 habe ich viel erkannt.

Lukas schreibt über Vater und zwei Söhne

Der verlorene Sohn
Der barmherzige Vater
Der missgünstige ältere Bruder

Keiner der drei überzeugt mich richtig,
meine Sympathie ist geteilt.
In dem bekannten Dreipersonenstück
hat keiner der drei meine volle Sympathie.

Als Vater zeigt er den Söhnen die Welt,
legt in den Kindern ein Fundament,
damit sie lebenstüchtig sind,
macht Mut, sorgt für Ausstattung.
Fällt ihm nicht auf, wie gegensätzlich
zwei Lebensentwürfe sich formen?

Ein Junge will raus aus der Enge,
aus Betriebsamkeit und Anordnungen,
er sucht das Weite,
durchbricht Konventionen.
Wer wagt, kann gewinnen.
Er will Grenzen überschreiten
und geht seinen Weg, kennt das Leben
talentiert wie er ist, könnte er was bewegen,
der Welt einen großen Dienst erweisen.
Das wäre zu wünschen.
Warum muss er zu Kreuze kriechen?

Das Quäntchen Glück fehlte ihm,
den Rückhalt einer Gemeinschaft zu finden.

Der verlässliche Erbfolger tut seinen Dienst,
kennt alle Regeln und die Gunst der Stunde.
Er liebt es klar und strukturiert,
die Scholle ist ihm Orientierung,
das Recht auf seiner Seite.
Jeder ist seines Glückes Schmied.
Bin ich der Hüter meines Bruders?
Er ist doch dein Bruder.
Wie leicht ist es, in ihm den Dummen zu finden?

Mein Gott, welch Dilemma. Der Vater.
Er liebt doch beide.
Wie er sich windet.
Verständnis für jeden.
Wie soll er sich wenden?
Er soll sich entscheiden?

Lebenskunst ist, den Gegensatz
auf einen Nenner zu bringen,
die Sicht des anderen einzunehmen.
Nur mit dem Herzen sieht man gut.
Der Kitt ist die Liebe.
Mein Gott ist das schwer.
Er hält alles zusammen – trotz Dilemma.
Mein Gott.

Einsender
Name: Martin Schwedhelm
Alter: -
Ort: Hildesheim