Umweltleitlinien des Bistum Hildesheim (2010)
Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
I. Präambel
Der gegenwärtige Klimawandel übertrifft in seinen Auswirkungen alle bisher von Menschen verursachten Umweltveränderungen. Er zerstört unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Er bedroht besonders das Leben der Menschen in den Ländern des Südens und der kommenden Generationen. Er ist eine Folge unseres gegenwärtigen Wirtschafts-, Finanz- und Konsum- Modells, das auf der rücksichtslosen Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen beruht. Der Klimawandel ist von uns Menschen verursacht. Noch haben wir die Gelegenheit, seine schlimmsten Auswirkungen abzuwenden. Aber dazu müssen wir handeln! Jetzt! Einzeln und gemeinsam! Mit Gottes Hilfe!
Zu Sendung und Auftrag der Kirche gehört, „allzeit nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.“ (Vat. II. Gaudium et Spes, 4) Die Folgen des Klimawandels sind dramatische Zeichen unserer Zeit. Durch sie erfahren wir uns als Kirche „mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden“ (Vat. II. Gaudium et Spes, 1). Er fordert unseren Schöpfungsglauben auf eine bisher nicht dagewesene Weise heraus. So bekennt sich die Kirche von Hildesheim neu zu ihrer Verantwortung für die Schöpfung, die sie zu lange vernachlässigt hat. Sie wird alles in ihrer Macht stehende tun, um künftig in Respekt vor Gottes Schöpfung deren endliche Ressourcen genügsam und nachhaltig zu nutzen, die Lebensgrundlagen für alle Menschen auf dem Planeten zu erhalten und die Schönheit der Erde für die kommenden Generationen zu bewahren. Dieses Ziel ist nur zu erreichen durch neue Vorstellungen von einem guten Leben und einen grundlegenden Wandel unseres Lebensstils. Dazu braucht es Einsicht und Mut zur Umkehr, die Bereitschaft zum Teilen und zum Verzicht.
Auf diesen Weg begibt sich die Kirche von Hildesheim nicht allein. Vielmehr greift sie dankbar Erkenntnisse aus der Umweltbewegung auf und handelt ökumenisch, indem sie die Schwesterkirchen in der Region sowie die Angehörigen anderer Religionen einlädt, sich gemeinsam mit allen Menschen guten Willens aufzumachen, um Gottes Schöpfung zu bewahren. So wird die Kirche von Hildesheim die biblische Botschaft vom Reich Gottes neu entdecken und ihre eigene Berufung tiefer verstehen, „jenen Bund zwischen Mensch und Umwelt zu erneuern und zu stärken, der ein Spiegel der Schöpferliebe Gottes sein soll.“ (Benedikt XVI. Botschaft zum Weltfriedenstag 2008,7 und 2010,1)
© Bernd Schmidt / Nicolai Steinkamp / Stefanie Salzer-Deckert / pixelio.de
© Jürgen Damen / Pfarrbriefservice.de
II. Liturgie
Wir glauben an Gott, „den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Unsere Mitwelt verstehen wir deshalb als Schöpfung, als Werk Gottes, in dem er selber sich ausdrückt, und als Sakrament seiner Lebensfreundlichkeit. So ist Ökologie für uns immer auch Rede von Gott, und jegliches Handeln zur Bewahrung unserer bedrohten Umwelt ist pastorales Handeln. Diesen grundlegenden Zusammenhang werden wir als Kirche von Hildesheim künftig neu zur Geltung bringen. Wir nutzen die zahlreichen Anknüpfungspunkte für schöpfungstheologische Themen in unserer Liturgie, ökumenische Gelegenheiten wie den gemeinsamen „Tag der Schöpfung“ (Ökumenische Versammlung von Sibiu), aber auch säkulare Anlässe wie beispielsweise die Klima-Konferenzen, um eine zeitgemäße Spiritualität der Schöpfung zu entwickeln. Dabei leitet uns die Hoffnung, dass die ganze Schöpfung, auch wenn sie „bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22), durch Christus erlöst ist, und wir folgen seiner Weisung, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (Mk 16,15).
III. Bildung und Verkündigung
In unserer Verkündigung und den zahlreichen Initiativen zur Weitergabe des Glaubens erschließen wir Kindern, Jugendlichen sowie Erwachsenen einen Zugang zur Schöpfung als Sakrament Gottes. Daraus wird ein achtsamer Umgang mit der Schöpfung und ihren Gaben erwachsen. In unserer Bildungsarbeit wird erfahrbar, dass die Bedrohung wie auch die Bewahrung der Schöpfung ein Thema „globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit“ sind (DBK, Klimawandel 2006). Deshalb nehmen wir die Kindertagesstätten und die Schulen unseres Bistums sowie die Jugendarbeit als wirkliche Lernorte für Nachhaltigkeit besonders in den Blick.
In der Aus- und Fortbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen bekommen Themen der Schöpfungstheologie und Schöpfungsspiritualität einen festen Platz genauso wie konkrete Anregungen für einen nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung. Im Sinne von authentisch gelebter Verkündigung praktizieren die Pfarrgemeinden und Einrichtungen unseres Bistums geeignete Formen des Umweltmanagements und des Klimaschutzes.
© S. Hofschlaeger / pixelio.de
© Manfred Zimmermann
IV. Kirchliche Immobilien
Gebäude sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Verkündigung des Reiches Gottes. Vielfach werden sie aber heute durch steigende Energiekosten und zunehmenden Bauunterhalt zu einer Last, die Kräfte und Finanzmittel der Gemeinden bindet. Der Bestand an kirchlichen Gebäuden ist deshalb auf das für den pastoralen Auftrag der Kirche notwendige Mindestmaß zu reduzieren. Die Ausnutzung der einzelnen Immobilien ist durch Bündelung von Aktivitäten zu verbessern. Beide Ansätze schonen nicht nur energetische Ressourcen, sondern setzen auch finanzielle und personelle Kapazitäten für notwendige innovative Prozesse frei.
Jede und jeder Einzelne ist gefordert, durch ihr bzw. sein persönliches Verhalten zu einem sparsamen und effektiven Umgang mit Energie und anderen Ressourcen beizutragen. Leitungspersonen in den Gemeinden und Einrichtungen unseres Bistums tragen darüber hinaus eine besondere Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung und werden dabei durch die Klima-Initiative des Bistums unterstützt. Energiesparende Maßnahmen an Gebäuden sind der Erzeugung und der Nutzung von Energie grundsätzlich vorzuziehen. Bei der Erneuerung bzw. dem Neubau von Anlagen zur Wärmeerzeugung ist immer der effiziente Einsatz regenerativer Energien zu überprüfen.
Auf landwirtschaftlichen Flächen, die sich im Besitz des Bistums oder von Kirchengemeinden befinden, werden gemäß Erlass des Bischofs vom 2. März 2009 keine gentechnisch veränderten Organismen mehr eingesetzt. Die kirchlichen Landflächen werden so schnell wie möglich auf eine nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung umgestellt.
V. Finanzen und Einkauf
Das Bistum Hildesheim ist sich bewusst, dass jede Form der Geldanlage ökonomische und damit auch soziale, ökologische und politische Konsequenzen nach sich zieht. Es nimmt seine Option für die Armen und die Schöpfung ernst. Deshalb wird seit 2009 das gesamte Kapital des Bistums unter Berücksichtigung von sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien angelegt (Socially Responsible Investment). In Zusammenarbeit mit einer auf Nachhaltigkeit spezialisierten Rating-Agentur werden für Kapitalanlagen nur die Unternehmen ausgewählt, welche in ihrer Unternehmenspolitik die oben genannten Kriterien am stärksten berücksichtigen. Zusätzlich sind Ausschlusskriterien definiert wie die Beteiligung an Rüstungsproduktion, die Nutzung von Kernenergie und systematische Verstöße gegen Menschen- oder grundlegende Arbeitnehmer/innenrechte.
Mit seinem Verhalten als Nachfrager setzt sich das Bistum Hildesheim für die Bewahrung der Schöpfung ein. So werden beim Wareneinkauf in den Gemeinden und Einrichtungen die Kriterien „nachhaltig“, „regional erzeugt“, „sozialverträglich produziert“, „ökologisch hochwertig“ und „fair gehandelt“ berücksichtigt. Der Bezug von elektrischem Strom wird so schnell wie möglich auf Anbieter umgestellt, die Elektrizität aus regenerativen Quellen erzeugen („grüner Strom“). Dazu hat das Bistum einen entsprechenden Rahmenvertrag ausgehandelt, der für alle institutionellen Verbraucher zur Verfügung steht.
© Harald Reiss / pixelio.de
VI. Mobilität
Mobilität ist für das kirchliche Leben in unserem flächenmäßig so großen Diaspora-Bistum unerlässlich. Umso wichtiger ist es, die Möglichkeiten einer umweltfreundlichen Mobilität zu nutzen. Deshalb hat der Gebrauch öffentlicher Verkehrsmittel Vorrang vor Fahrten mit dem Pkw. Die Dienstfahrzeuge des Bistums werden Zug um Zug auf Modelle mit geringem CO2-Ausstoß umgestellt. Diözesane Dienststellen und Pfarrgemeinden optimieren die gemeinsame Nutzung vorhandener Dienstfahrzeuge (intern und durch Beteiligung an öffentlichen Carsharing-Systemen).
VII. Mitwirkung in Politik und Gesellschaft
Die Kirche von Hildesheim versteht sich als Anwältin der geschundenen Schöpfung einschließlich der ihrer Lebensgrundlagen beraubten Menschen. Sie gibt der Klage über die vielfältige Bedrohung der Geschöpfe auch in ihrer Liturgie Raum und deckt die »Strukturen der Sünde« (Johannes Paul II.) auf, die zur Zerstörung der Schöpfung führen. Sie nimmt öffentlich Stellung gegen die Interessen derer, die von der Ausplünderung endlicher Ressourcen profitieren und betreibt politische Lobbyarbeit zugunsten aller Lebewesen, die von der zunehmenden Zerstörung der Schöpfung bedroht sind. Sie nimmt politisch Einfluss, damit die Lebensgrundlagen der Armen sowie der kommenden Generationen erhalten bleiben. Dabei schließt sie strategische Bündnisse mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft. Die Kirche von Hildesheim beteiligt sich aktiv an den Agenda 21-Prozessen, Klimaschutzinitiativen sowie dem konziliaren Prozess der Kirchen und legt damit immer wieder neu Zeugnis ab für Gott als den „Schöpfers des Himmels und der Erde“.
© Barbara Schartz