Beten unter Bäumen. Spiritualität des Waldes bei Franz von Assisi

Fortbildung im Bistumswald

Waldbaden ist uralt. Schon in der der Antike fühlten sich Menschen besonders mit Wäldern und Bäumen verbunden. Im Mittelalter war der Wald dann vor allem Rohstoffquelle für Holz zum Heizen oder für Baumaterial und er wurde im großen Stil gerodet, um Ackerland zu gewinnen. Aber, es gab auch in jener Zeit Menschen, die spirituelle Kraft im Wald fanden. Der Heilige Franz von Assisi ging bereits vor 800 Jahren in den Wald, um Ruhe, die Verbundenheit mit Gott in der Natur zu suchen und dadurch Kraft zu tanken.

Beim Praxistag am 4. Mai 2024 hatten Menschen in liturgischen Diensten und viele weitere Interessierte die Gelegenheit, im Bistumswald am Röderhof in Diekholzen dieser alten Spiritualität des Waldes nachzuspüren.

„Von den Vögeln hatte er gelernt, Gott zu loben und zu preisen“

Die Referentin des Praxistages ist Schwester Dr. Theresia Wittemann OSF. Die Ordensschwester ist Franziskanerin und die Spiritualität des Waldes von Franz von Assisi faszinierte sie so stark, dass sie das Buch „Beten unter Bäumen“ schrieb, für das sie in diesem Jahr mit dem Laudato si´-Preis des Bistums Augsburg ausgezeichnet wurde.  „Von den Vögeln hatte er gelernt, Gott zu loben und zu preisen“ sagt Schwester Theresia über den Heiligen, der auch als Schutzpatrons der Umwelt und der Tiere verehrt wird, und nimmt Bezug auf die sogenannte Vogelpredigt: „Meine Brüder Vögel! Gar sehr müsst ihr euren Schöpfer loben und ihn stets lieben; er hat euch Gefieder zum Gewand, Fittiche zum Flug gegeben und alles, was ihr nötig habt.“

Singen im Wald und ein Gespür für die Ökologie

„Es gibt viele Erzählungen, die Franz von Assisis Liebe zu seinen Mitgeschöpfen und zu Gott im Wald zeigen“, berichtet Dr. Elisabeth Steffens, Referentin für Schöpfungsspiritualität und Verantwortliche für die Fortbildung. Und von diesen Geschichten erzählt dann auch Theresia Wittemann bei ihren Vorträgen im Röderhof: Einmal wollten Diebe Franz von Assisi überfallen. Sie nahmen jedoch Abstand von diesem Plan, als sie ihn begeistert im Wald singen hörten. Ein anderes Mal beobachteten ihn seine Glaubensbrüder, als er auf zwei Hölzern musizierte. Und obwohl keine Töne zu hören waren, spiegelten sein freudiges Gesicht sehr ausdruckstark die schönen Melodien wider, die ihn in seinem Innern bewegten.

Eine Geschichte könnte sogar als frühes Gespür für ökologische Waldwirtschaft ausgelegt werden: So verbot der heilige Franz seinen Glaubensbrüdern, einen Baum ganz unten zu fällen, damit dieser noch Hoffnung habe, wieder zu sprießen.

Frühlingsgrüne Blätter, ein sprudelnder Bach und rufende Frösche

Für den Praxisteil „Gott in der Natur begegnen – Öffnen der Sinne“ geht es raus in den Bistumswald. Zum Sehen, Fühlen und Hören der frühlingsgrünen Blätter, des sprudelnden Pepperbaches und des Konzertes der Frösche lässt Schwester Theresia Wittemann die Teilnehmenden still unter den Bäumen umherwandern - jede und jeder für sich. Die Franziskanerin gibt lediglich einen Satz aus Psalm 131 mit auf den Weg: „Ja, gemäßigt und beruhigt habe ich meine hungrige Seele wie ein abgestilltes Kind bei seiner Mutter.“

„Du wurdest Teil dieser Erde“

Und dann gibt es noch eine gemeinsame Marienandacht an einem Holzkreuz am Rande des Waldes: „Sohn Gottes, Jesus, durch dich wurde alles erschaffen. In Marias Mutterschoß nahmst Du menschliche Gestalt an: du wurdest Teil dieser Erde …“ Im Wechsel lesen die Betenden laut die Verse des „Christlichen Gebetes mit der Schöpfung“ aus der Enzyklika Laudato si´.

Das Gebet schließt mit den Zeilen:

„Herr, ergreife uns mit deiner Macht
und deinem Licht,
um alles Leben zu schützen,
um eine bessere Zukunft vorzubereiten,
damit dein Reich komme,
das Reich der Gerechtigkeit,
des Friedens, der Liebe
und der Schönheit.
Gelobt seist du.“

Elisabeth Steffens ist sich sicher: „Dies sind hoffnungsvolle und kraftgebende Zeilen, die wir in einer erneuten Zeit des unachtsamen Umgangs mit dem Wald und unseren Lebensgrundlagen alle gut gebrauchen können. Welch göttliche Präsenz und spirituelle Kraft im Ökosystem und Gottes Schöpfung Wald steckt, hat bereits Franz von Assisi für sich entdeckt. Theresia Wittemann hat sie uns an diesem Praxistag wieder erleben lassen.“


Die Referentin, Schwester Doktorin Theresia Wittemann OSF, ist Dillinger Franziskanerin und derzeit persönliche Referentin des Augsburger Bischofs, Dr. Bertram Meier. Für ihr Buch „Beten unter Bäumen. Spiritualität des Waldes bei Franz von Assisi“ wurde sie in diesem Jahr ausgezeichnet mit dem Laudato si‘ Preis des Bistums Augsburg in der Kategorie „ökologische Spiritualität“.

Die Erzählungen zu Franziskus von Assisi sind nachzulesen in den Franziskus-Quellen: Die Schriften des Heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden / im Auftrag der Provinziale der deutschsprachigen Franziskaner, Kapuziner und Minoriten herausgegeben von Dieter Berg und Leonhard Lehmann, Kevelaer 2014.

Der Wald als Ökosystem und Gottes Schöpfung ist auch Thema beim diesjährigen Schöpfungstag. Unter dem Motto „Lass Jubeln alle Bäume des Waldes"  lädt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland am 6. September zu einer bundesweiten Feier nach Eberswalde ein.