Nachgefragt: Wie geht es weiter mit der nachhaltigen Mobilität?
Anfang Oktober vergangenen Jahres ist mit einer großen Auftaktveranstaltung das Nachhaltigkeitsprojekt des Bistums gestartet. Die Arbeitsgruppen haben inzwischen ihre Ergebnisse abgeliefert und an den Generalvikar übergeben. Heute wollen wir mehr über das Thema Mobilität erfahren: Wie nachhaltig sind wir unterwegs? Wir haben bei Anna-Lena Passior, Gemeindereferentin im [ka:punkt] in Hannover, nachgefragt.
Frau Passior, Sie sind Mitglied der Arbeitsgruppe Mobilität im Rahmen des Nachhaltigkeitsprozesses. Mit welchen Themen haben Sie sich dort in den vergangenen Monaten befasst?
Wir haben uns vor allem Gedanken um die Mobilität von Ehrenamtlichen gemacht. Wie können kirchliche Einrichtungen und Gemeinden – auch über die Kirchenmauern hinaus – die Mobilität der Dörfer und Städte schöpfungsbewusst mitgestalten? Vieles davon geschieht bereits, vor allem durch Vernetzung. Konkrete Beispiele dafür sind etwa die Beteiligung am lokalen Lastenradverleih, das Angebot von Fahrradständern, die Teilnahme an Fahrradaktionswochen wie dem „Stadtradeln“, das Fördern von Fahrgemeinschaften oder ein freiwilliges Tempolimit.
Ein nicht unerheblicher Anteil der CO2-Bilanz des Bistums entsteht durch Fahrten zum Arbeitsplatz und Dienstreisen. Provokant gefragt: Dürfen wir zukünftig nur noch mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren?
Jeder Mensch ist frei, seine eigene Mobilität zu wählen. Es braucht eine Vielfalt von Möglichkeiten, denn jede*r hat andere Ressourcen und territoriale Herausforderungen. Jedoch sollten es bewusste Handlungen sein. Ich treffe als Christ*in Entscheidungen, die (auch) von der Bewahrung der Schöpfung geleitet sind. Als Bistum können wir Alternativen zum Auto unterstützen oder fördern und damit Menschen motivieren, umzusteigen.
Wie wollen Sie vermeiden, dass zukünftig weiter viele Mitarbeitende mit dem eigenen Pkw zur Arbeit fahren?
Lange Zeit war Autofahren die Norm. Wenn Menschen kein Auto besaßen, dann lag es meistens daran, dass sie es sich nicht leisten konnten. Das Auto war und ist ein Statussymbol. In der Werbung sehe ich täglich, wie die Autoindustrie die Deutungshoheit über das Narrativ der Mobilität behalten möchte.
Als pastorale Mitarbeiterin in Stade war ich ausschließlich mit dem Fahrrad unterwegs. Für Auswärtstermine habe ich mir Mitfahrgelegenheiten organisiert. Das war für viele fremd und ungewohnt. Immer wieder kam die Frage: „Warum haben Sie kein Auto?“ Doch nur selten höre oder stelle ich selbst die Frage: „Warum fährst du kein Rad?“
In Hannover nehme ich schon eine Veränderung wahr. Die Klimadiskussion und Sharing-Economy verändern das Konsumverhalten grundlegend, vor allem bei jungen Menschen. Wir dürfen alte Normen und Statussymbole hinterfragen. Es muss deutlich werden, dass Mobilitätsalternativen wie das Radfahren oder der ÖPNV nicht nur nachhaltiger sind, sondern auch Spaß machen, die Gesundheit unterstützen und dass mit Ihnen schöne Erfahrungen und Geschichten verbunden werden können.
Welche weiteren Maßnahmen sind notwendig, um in Sachen Mobilität zu einer verbesserten Klimabilanz zu kommen?
Im Christentum spielt das Teilen eine große Rolle: Wir teilen in der Eucharistie Brot und Wein, wir teilen den Erlös unserer Erwerbsarbeit bei der Kollekte. Dieses Teilen nehme ich oft als sehr binnenkirchlich wahr. Ich wünsche mir, dass die Sharing-Economy auch in der Kirche Raum bekommt. Teilen kann ein großer Beitrag zur Klimagerechtigkeit sein. Damit meine ich das Anbieten von Mitfahrgelegenheiten, das Teilen von Lastenrädern oder Boni-Bussen, zum Beispiel mit muslimischen oder evangelischen Gemeinden oder gemeinnützigen Organisationen.
Wie nachhaltig kann Mobilität überhaupt sein?
Wie langweilig wäre eine Welt, in der wir nicht mobil sind, nicht unterwegs und in Bewegung? Mobilität gehört für mich zum Mensch-Sein dazu. Trotzdem kann ich immer wieder hinterfragen: Welche Wege sind nötig und sinnvoll? Braucht es wirklich einen Flug in den Süden? Müssen alle Konferenzen analog stattfinden oder können wir uns auch digital treffen? Die Pandemie hat da sicher einige Alternativen aufgezeigt.
Die Mobilität kritisch unter die Lupe zu nehmen, heißt vermutlich auch, bei der Organisation von Veranstaltungen und Freizeiten die entstehenden Anreisewege stets mit in den Blick zu nehmen.
Genau, die Anfangs- und Endzeiten von Veranstaltungen sollten an die Pläne des ÖPNV angepasst sein. Und auf Einladungen sollte vor allem die Anfahrt mit dem Öffentlichen Nahverkehr erklärt werden. Es sind Veranstaltungsorte auszuwählen, die auch gut ohne Auto erreichbar sind. Außerdem können Fortbildungen dezentral stattfinden, damit Menschen aus den Rändern des Bistums nicht immer bis nach Hildesheim fahren müssen.
Werfen wir gemeinsam einen Blick in die Zukunft. Wie können wir als Bistum zukünftig noch nachhaltiger unterwegs sein?
Wir können uns als Bistum noch mehr mit Umweltverbänden und -initiativen vernetzen, um von ihnen zu lernen, unsere eigenen Strukturen zu verändern, aber auch politisch Veränderungen zu fordern. Als Weltkirche geht es uns nicht nur um die Umwelt, sondern auch um das Wohl unserer Geschwister im Globalen Süden (Global South, die Ländergruppe der sog. Entwicklungs- und Schwellenländer; Anm. d. Red.), denn hier sind die Folgen des Klimawandels am meisten zu spüren. Ich hoffe, dass wir einen Perspektivwechsel möglich machen.
Das könnte konkret heißen: In den katholischen Bildungshäusern muss ich mich nicht mehr mit meinem vegetarischen Essen separat anmelden, sondern es gibt immer für alle vegetarisches Essen. Wer Fleisch essen möchte, meldet sich dafür an. Auf den vielen Grünflächen der Gemeinden wächst nicht nur Rasen, sondern es gibt Streuobstwiesen und Wildblumen für die Insekten. Wir öffnen unsere Gemeindehäuser für Gruppen wie F4F oder foodsharing, damit in unseren Räumen „Fair-Teiler“ gegen Lebensmittelverschwendung oder Second-Hand-Märkte stattfinden können. Das wäre doch eine schöne Zukunft.
Und haben Sie auch einen Tipp, was jeder einzelne von uns tun kann, um die eigene Ökobilanz zu verbessern und zukünftig umweltfreundlicher mobil zu sein?
Gerade bei der Klimadiskussion wird viel auf die Einzelnen geschaut, doch ich glaube es geht vor allem um die Veränderung der Strukturen. Warum sind vegane Produkte teurer als Fleischprodukte? Warum wird mehr Geld für Automobilität ausgegeben und die Radwege sind teilweise voller Schlaglöcher? Natürlich haben wir auch alle einzeln Verantwortung, doch als Bistum müssen wir die Strukturen überprüfen und nicht nur einzelne Menschen zu Veränderungen motivieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Cornelia Hanne, Referentin für interne Kommunikation.