Bolivienreise mit Bischof Heiner
Beeindruckende Begegnungen – Neue Horizonte
Vom 12. bis zum 30. März 2023 ist Bischof Heiner mit einer kleinen Delegation durch Bolivien gereist. Die Partnerschaft mit der dortigen Kirche bekommt ein Gesicht aus Erfahrungen, Begegnungen und Hoffnungen. Und in all dem nimmt die „Hermandad“ (Geschwisterlichkeit) weiter Gestalt an. Ein Bericht über die verschiedenen Stationen der Reise.
Bischof Heiner Wilmer, Rat Christian Hennecke, Leiter des Bereichs Sendung, und Dietmar Müßig, Leiter des Teams Weltkirche, ziehen im Gespräch mit der KirchenZeitung eine Bilanz der Reise.
Ein Fest zum Ende: Dankbar und verheißungsvoll (15. Station)
Bei einem Grillabend in gemeinschaftlicher Runde mit Mitgliedern der dortigen Partnerschaftsgruppe geht eine intensive Reise zu Ende. Die Zahl der Eindrücke und Begegnungen ist so groß, dass nun erst einmal eine Phase des Sortierens und Reflektierens einsetzt.
Zahlreich sind die neuen Ideen zur Vertiefung der Partnerschaft, die nach der Rückkehr nach Deutschland strukturell umgesetzt und im Verbund mit den vielen Bolivien-Engagierten im Bistum Hildesheim auf den Weg gebracht werden wollen. Doch vertrauen alle Delegationsmitglieder darauf, dass uns Gottes Geist auch weiterhin begleiten wird auf dem gemeinsamen Weg der Partnerschaft: ¡Caminando juntos!
Messe zu Füßen der Patronin Boliviens: Ende der Reise unter dem Segen der Gottesmutter (14. Station)
Am Vorabend hatte die Delegation den Kalvarienberg bestiegen. Der mühsame Aufstieg wird mit einem unvergesslichen Blick über den See belohnt. Wieder unten angekommen, nimmt die deutsche Gruppe an der Messe in der Basilika teil. Tausende Menschen pilgern jedes Jahr dorthin, um den Segen der Mamita zu erbitten, der Gottesmutter von Copacabana.
Im 16. Jahrhundert hatte Tito Yupanqui, ein adeliger Inka, die beeindruckende Statue der Jungfrau geschaffen und auf einer mühsamen Reise zum Titicacasee gebracht, an den Ort, von dem seine Vorfahren zur Sonneninsel gepilgert waren. Bis heute ist der Wallfahrtsort Copacabana – übrigens der Namensgeber des gleichnamigen Strandes in Rio de Janeiro – von der marianischen Frömmigkeit ebenso geprägt wie von der Spiritualität der Quechua und Aymara.
Auf dem Rückweg nach La Paz macht die Delegation noch in El Alto halt. Dort wird sie von Bischof Giovani Arana und seinem Klerus herzlich zum Mittagessen empfangen, bevor es mit dem Flugzeug zurückgeht nach Santa Cruz.
Pilgertour nach Copacabana: Mystische Eindrücke an der Wiege der Inka-Kultur (13. Station)
Um 6 Uhr morgens geht es los in Richtung Titicacasee. Nachdem die Autos auf klapprigen Fähren bei Tiquina auf die Halbinsel von Copacabana übergesetzt wurden, macht sich die Delegation zu Fuß auf den Weg zum Nationalheiligtum Boliviens. Dabei eröffnen sich atemberaubende Ausblicke auf den heiligen See der Inkakultur. Zugleich bekommen die Delegationsmitglieder in intensiven Gesprächen mit Calixto Quispe eine Ahnung von der tiefen Spiritualität der Aymara.
Calixto ist katholischer Diakon und zugleich Schamane in der Tradition dieses indigenen Volkes. In beeindruckender Weise wird deutlich, wie die Menschen in den Anden um ein Leben im Gleichgewicht mit der Natur ringen. Dabei verstehen sie sich nicht als Krone der Schöpfung, sondern als gleichberechtigter Teil eines Netzes, in dem alle Lebewesen miteinander verwoben sind. Die Überzeugung von Papst Franziskus, dass alles mit allem verbunden ist, wird in den Anden seit Jahrtausenden in unterschiedlichsten Riten und Gebeten praktiziert.
Empfang in der deutschen Botschaft: Pflege von politischen Kontakten (12. Station)
Am Abend wird die Delegation in der Residenz des deutschen Botschafters empfangen. In entspannter Atomsphäre schildert Dr. José Schulz seine Eindrücke und Erfahrungen zur aktuellen politischen Lage. Dabei kommen die Aktivitäten der Bolivienpartnerschaft der Bistümer Hildesheim und Trier ebenso zur Sprache, wie die wichtigen Erfahrungen, die junge Menschen während ihres Freiwilligendienstes im jeweiligen Partnerland machen können.
Im Rahmen des weltwärts-Programms bezuschusst die Bundesregierung nicht nur den Einsatz von deutschen Schulabgänger:innen in Bolivien, sondern auch den freiwilligen Dienst von jungen Bolivianer*innen in Deutschland. Das Engagement von Staat und Kirche geht hier Hand in Hand.
Die Fundación Jubileo: Ein Think-Tank auf höchstem Niveau (11. Station)
Am Nachmittag Besuch bei der Fundación Jubileo. Diese wurde im Jahr 2003 vom Bistum Hildesheim gemeinsam mit der bolivianischen Kirche ins Leben gerufen. Drei Jahre zuvor hatten sich zahlreiche Menschen in Deutschland mit der Sammlung von Unterschriften und Protestaktionen für einen Erlass der hohen Auslandsschulden Boliviens eingesetzt. Um künftig die Verwendung von staatlichen Mitteln besser kontrollieren zu können, veröffentlicht die Stiftung detaillierte Studien, aus denen hervorgeht, wofür die Regierungen die Steuereinnahmen verwenden und Subventionen verteilen.
Dadurch prägt die Fundación Jubileo – nicht immer zur Freude der Regierungspartei - die öffentliche Diskussion entscheidend mit. Für Studierende bietet die Stiftung Kurse an, auf denen die Jugendlichen lernen, wie Politik funktioniert und wie sie dabei die Interessen der jungen Generation einbringen können. Dabei werden auch Themen wie Umwelt- und Artenschutz aufgegriffen, insbesondere die derzeit hoch aktuelle Frage nach dem Abbau von weltweit begehrten Rohstoffen wie dem Lithium aus dem Salzsee von Uyuni oder dem Gold aus den Amazonaszuflüssen.
Die Zentrale der bolivianischen Kirche: Begegnungen in La Paz (10. Station)
Nicht jeder aus der Delegation hat in der Nacht gut schlafen können, denn das Hotel liegt direkt an der Plaza San Francisco. Dort brodelt nicht nur der Verkehr, sondern immer wieder wird diese Hauptverkehrsachse von La Paz von Demonstrierenden blockiert. Diesmal sind es die Lehrer:innen, die für mehr Planstellen und gegen den neuen Lehrplan demonstrieren. Dabei werden nicht nur Plakate hochgehalten und Fahnen geschwenkt, sondern auch kleine Dynamitstangen geworfen.
Glücklicherweise liegt auch das Gebäude der Bischofskonferenz in unmittelbarer Nähe, so dass die Delegation trotz der Straßenblockaden zu Fuß dorthin gelangt. Im Partnerschaftsbüro werden erste Gespräche geführt, wie neue Ideen zur Zusammenarbeit umgesetzt werden können. Anschließend informieren die anderen Abteilungen der Bischofskonferenz über ihre Arbeit: Evangelisierung, Erziehung, Öffentlichkeitsarbeit und das Generalsekretariat. Dankbar zeigen sich viele der Referent:innen über die finanzielle Unterstützung im Rahmen der Partnerschaft sehr dankbar, ohne die so manches landesweite Projekt der Bischofskonferenz nicht möglich wäre.
La Paz: Höhenluft, Berufung und eine Welt ohne Plastikmüll (9. Station)
4.000 Meter über dem Meeresspiegel. Das wird bei jedem Atemzug spürbar, den die Delegationsmitglieder tun, nachdem sie auf dem Airport von El Alto aus dem Flugzeug gestiegen sind. Ein wenig tiefer liegt in einem atemberaubenden Kessel die Millionenstadt La Paz. Chaotischer Verkehr, Straßenblockaden wegen politischer Proteste der Lehrkräfte – aber trotzdem kommt die Delegation mit Hilfe der ortskundigen Gastgeber erstaunlich zügig im Hotel an.
Erste Station am Abend ist ein Aktions- und Gebetstag der Pastoral Juvenil Vocacional. 150 Jugendliche haben sich versammelt. Es geht um die Berufung, um den Sinn des eigenen Lebens – und am Ende des Abends ermutigt Bischof Heiner, dem Gott der Überraschungen zu trauen. Eine Lebenshingabe im Blick auf die eigene Berufung macht glücklich und frei.
Am nächsten Tag geht die Feier weiter: eine Prozession durch die Straßen von La Paz führt in die Kathedrale, wo etwa 500 Jugendliche mit Erzbischof Percy Galvan, Kardinal Toribio Ticona und den Weihbischöfen Gottesdienst feiern. Bischof Heiner steht der Eucharistiefeier vor.
Gebannt hören die Jugendlichen seiner Predigt über die Prophetie des Ezechiel (37, 12-14) existenziell auslegt. Und am Ende der Messe wird das konkrete Engagement der Jugendlichen für das „gemeinsame Haus“ (Papst Franziskus) deutlich: Die Jugendpastoral des Bistums ermutigt die Anwesenden, sich für eine Welt ohne Plastik einzusetzen - Eine Zukunft ohne Plastik ist fantastisch. (!Un futuro sin plástico – es fantástico!).
Das Hungertuch von Misereor wird von Dr. Dietmar Müßig, dem langjährigen Leiter und Koordinator der Hermandad im Bistum Hildesheim, an Erzbischof Percy Galvan überreicht.
Der Silberberg von Potosí: Bittere Armut, Kinderarbeit und Gewalt gegen Frauen (8. Station)
In der Minenstadt auf über 4.000 Metern Höhe bieten sich der bischöflichen Delegation erschreckende Einblicke in die bolivianische Realität. Im Zentrum NATS haben sich mit Unterstützung der Caritas arbeitende Kinder und Jugendliche organisiert. Gemeinsam kämpfen sie für ihre Rechte – unter anderem das, arbeiten zu dürfen. Denn auf Druck der Vereinten Nationen hat die bolivianische Regierung ein Gesetz gekippt, das arbeitenden Kindern gewisse Grundrechte garantierte.
Der Versuch der UN, die Kinderarbeit ganz auszurotten, ist zwar gut gemeint – geht aber an der Realität vieler armer Familien vorbei, die auf die Mitarbeit ihrer Kinder angewiesen sind. Um die Grundbedürfnisse ihrer Kinder und Familien zu stillen, arbeiten auch über 150 Frauen als Minen-Wächterinnen am Cerro Rico. Sie hausen in Höhen von 4.500 Metern und mehr in Lehmhütten, die notdürftig mit Wellblech gedeckt sind und passen dort auf die Werkzeuge der Bergarbeiter und die von ihnen aus dem Berg gekratzten silber- und zinkhaltigen Mineralien auf.
Nicht wenige der Kumpel sind alkoholabhängig und schlagen, wenn sie nachts betrunken von der Arbeit in ihre Hütten zurückkehren, ihre Frauen und Kinder. Pater Marco Abascal und sein Caritasteam halten den Kontakt zu diesen Frauen und versuchen zu helfen, wo es geht.
Sucre: Die großartigen Chancen der Hermandad (7. Station)
Ein großartiger Empfang im Colegio San Juanillo: Musik, Tanz – und ein Song für die Delegation. Die Begegnungen mit den Schülern und Schülerinnen in der Schule sind beeindruckend. Hier arbeitet auch Franziska Brill aus Holzminden, eine der drei Freiwilligen aus dem Bistum, die dieses Jahr in Bolivien im Einsatz sind. Was für eine lebensverändernde und prägende Erfahrung! Die große Bedeutung des Austauschprogramms von jungen Menschen wird noch einmal deutlich: neue Erfahrungen, andere Kulturen, unzählige Begegnungen und neue Perspektiven!
Das schenkt eine große Weite, vermittelt einen neuen Lebensstil – und prägt so für die Zukunft. Davon erzählt Franziska Brill mit Begeisterung, aber auch mit viel Nachdenklichkeit. Und neue Ideen entstehen in der Delegation: könnte nicht hier auch eine Partnerschaft mit einer katholischen Schule im Bistum Hildesheim die vielfältigen Chancen des Austauschs und des gemeinsamen Lernens zwischen jungen Menschen befördern?
Hier in Sucre, der Hauptstadt Boliviens, lässt sich die reiche und kulturell beeindruckende Vergangenheit und Gegenwart des Partnerlandes entdecken. Bischof Ricardo Centellas und die Engagierten der Hermandad geben Einblicke – vor allem aber bleiben Begegnungen und neue Beziehungen, die für die Zukunft unserer Partnerschaft vielversprechend sind.
Aiquile: Gesellschaftliche und kirchliche Herausforderungen (6. Station)
Intensive Gespräche am nächsten Morgen mit dem Bischof und dem Vikar für die Pastoral geben einen tiefen Einblick in das angespannte Verhältnis zwischen Kirche und Staat sowie die herausfordernde gesellschaftliche und politische Situation des Landes. Spannend ist auch der Einblick in die pastorale Situation: Wenn in einer Pfarrei mehr als 110 Gemeinden sind, dann hängt viel davon ab, wie Katecheten und Gemeindeleiter ausgebildet werden.
Das ist eine der Herausforderungen der Prälatur Aiquile: wie kann eine systematische Stärkung der Dienste und Verantwortlichkeit gelingen? – Andere Welten, aber ähnliche Herausforderungen wie in unserem Bistum! Nach der Besichtigung der Kathedrale, die nach einem schweren Erdbeben völlig neu aufgebaut werden musste, geht es – wieder eine lange Fahrt – weiter nach Sucre.
Juntos caminando: Wegstationen wachsender Gemeinschaft (5. Station)
Die Reise durch das Partnerland Bolivien geht weiter. Bischof Heiner Wilmer und die kleine Delegation des Bistums brechen am 20. März von Cochabamba auf. Eine lange Fahrt liegt vor ihnen. Die Route führt über das beeindruckende Franziskanerkloster in Tarata. Dort zeugt eine alte Bibliothek davon, dass der Konvent lange Zeit Ausbildungszentrum für europäische Missionare war. Durch eine atemberaubende Gebirgslandschaft und das tiefe Tal des Rio Grande geht es weiter in die ländlich geprägte Kleinstadt Aiquile. Erst spät am Abend kommt die Gruppe im Bischofshaus von Monseñor Jorge Herbas an – und wird mit großer Herzlichkeit aufgenommen.
Cochabamba: Beeindruckende Begegnungen an der Katholischen Fakultät (4. Station)
Das Treffen mit Dozierenden und Verantwortlichen der katholischen Fakultät in Cochabamba öffnet weite Horizonte für eine künftige Zusammenarbeit: die Arbeit an einer amazonischen Liturgie in Folge der Amazoniensynode, der Stil einer erfahrungsgesättigten und spirituell gegründeten Theologie, die Entwicklung eines theologischen Fortbildungsprogramms für Engagierte aus den Pfarreien, das Nachdenken über die Schätze der indigenen Kulturen und ihr Beitrag für einer Erneuerung von Pastoral und Theologie – all das sind Themen, die sehr viele Anknüpfungspunkte auch mit der kirchlichen Situation im Bistum offenbaren. Hier zeigen sich neue Wege für gemeinsame Projekte.
Riberalta: Nur die Nachhaltigkeit hat Zukunft (3. Station)
Kurz nach der Ankunft führt Bischof Eugenio die Delegation zum „Hafen“ seines Apostolischen Vikariats und präsentiert stolz das erste E-Boot in der gesamten Amazonasregion. Denn viele Gemeinden lassen sich nur auf dem Wasserweg erreichen. Nun hat er mit Unterstützung der Partnerschaft einen Elektromotor entwickeln lassen, der aus Solarpaneelen gespeist wird.
Im Bistum Pando hat das Thema Nachhaltigkeit Priorität. Dies zeigt sich in der Förderung von E-Mobilität und der kritischen Begleitung der Goldförderung in den Flüssen, durch die das Wasser und die Fische mit Quecksilber vergiftet werden.
San Ignacio de Moxos: Die Geschichte der Jesuitenmission wird Gegenwart (2. Station)
Es regnet sintflutartig die ganze Nacht und hört auch am nächsten Morgen nicht auf. Die Delegation muss umdisponieren. Erst am späten Vormittag ist es möglich, den angeschwollenen Fluss mit abenteuerlichen Fähren zu überqueren, um nach San Ignacio de Moxos zu gelangen, wo die lange Missionsgeschichte Boliviens sichtbar und hörbar wird. Die Jesuiten haben hier schon im 18. Jahrhundert die indigenen Einwohner evangelisiert – und dabei an die musikalischen und künstlerischen Begabungen der Menschen vor Ort angeknüpft.
Sehr bewegend ist ein Konzert mit bolivianischer Barockmusik, die diese Geschichte neu erklingen lässt. Etwa 50 junge Leute aus San Ignacio haben ein Orchester und einen Chor gegründet, der heute weltweit auf Tournee geht. So bezeugen sie den Reichtum einer vom Evangelium durchdrungenen Kultur. Mitten unter den Geigern des Orchesters: Samuel Geffert aus Mehrum, einer der Freiwilligen aus dem Bistum Hildesheim.
Santa Cruz: Treffen mit der Bolivianischen Bischofskonferenz (1. Station)
Gleich am Anfang ein Höhepunkt: die Mitglieder der Bolivianischen Bischofskonferenz hören gebannt zu, als Bischof Heiner die Hintergründe und Ergebnisse des Synodalen Weges erläutert. Denn auch in Bolivien gibt es viele Befürchtungen: will die deutsche Kirche ein Schisma? Möchte sie weiterhin zur weltweiten katholischen Kirche gehören? Bischof Heiner gelingt es, mit großer Klarheit diese Bedenken zu zerstreuen und Verständnis für die herausfordernde Lage der katholischen Kirche in Deutschland zu wecken. Insgesamt wächst eine Atmosphäre echter Freundschaft, die für den weiteren Weg der Reise und der Hermandad grundlegend ist.