Ethisch nachhaltig investieren - wie geht das?
Anfang Oktober vergangenen Jahres ist mit einer großen Auftaktveranstaltung das Nachhaltigkeitsprojekt des Bistums gestartet. Im April werden die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse abliefern. Heute wollen wir mehr über unsere Finanzen erfahren: Können Investitionen ethisch nachhaltig sein? Wir haben bei Finanzdirektorin Anja Terhorst nachgefragt.
Frau Terhorst, Sie leiten die Arbeitsgruppe Finanzen im Rahmen des Nachhaltigkeitsprozesses. Mit welchen Themen haben Sie sich dort in den vergangenen Monaten befasst?
Die Arbeitsgruppe Finanzen hat sich zum einen mit der Kapitalanlage des Bistums befasst. Diese Kapitalanlage dient zu großen Teilen, nämlich zu mehr als 75 Prozent, der Absicherung der zukünftigen Verpflichtungen aus Pensionszahlungen, also der Renten. Hier ging es darum, wie wir weitere Nachhaltigkeitsaspekte mit in die Kapitalanlage aufnehmen können. Zum anderen standen die Fördermittel im Fokus, die sowohl vom Bistum selbst als auch von den Kirchengemeinden als Quelle zukünftiger nachhaltiger Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollen.
Der Umgang der Kirche mit ihren Finanzen und ihrem Vermögen ist eine zentrale Frage für die Glaubwürdigkeit von Kirche insgesamt. Nach welchen Zielen investieren Sie kirchliche Gelder am Kapitalmarkt?
Sie haben vollkommen Recht. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit ist derzeit sehr ausgeprägt und wird von unseren Kirchensteuerzahler*innen vollkommen gerechtfertigt gestellt. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben wir nicht nur hohe Standards definiert, sondern planen auch in weiteren Schritten mehr Transparenz zu diesem Thema zu schaffen.
Das Bistum verfolgt seit Jahren eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie in der Kapitalanlage, die regelmäßig überprüft wird. Die Inhalte werden dabei aus der Orientierungshilfe „Ethisch-nachhaltig investieren“ abgeleitet, die die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken herausgegeben hat. Die ethisch-nachhaltigen Werte werden in der Kapitalanlage verankert. Die Organisation der Finanzen ermöglicht die vollständige Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsstrategie. Dabei arbeitet das Bistum mit Nachhaltigkeitsexperten zusammen.
Über allem steht das Ziel, dass das Bistum den Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft aktiv mitgestalten und dies auch mit der Kapitalanlage fördern möchte. Es ist dennoch wichtig zu betonen, dass die Kapitalanlage zu großen Teilen einen effektiven Verpflichtungsbezug hat und deswegen auch spezifische Anforderungen aus Risiko- und Ertragssicht bestehen. Es erfolgt daher ein ständiger Abwägungsprozess mit dem Ziel, so viel Nachhaltigkeit wie möglich zu erreichen.
Welche Kriterien können eine Kapitalanlage überhaupt nachhaltig machen?
Zunächst ist es dabei wichtig, den Begriff „nachhaltig“ zu definieren. Es gibt eine große Bandbreite an Interpretation, was häufig auch Verwirrung stiftet. Das Bistum nutzt den Begriff „ethisch-nachhaltig“, um nicht nur den Klimawandel und damit verbundene ökologische Kriterien zu adressieren, sondern auch soziale Komponenten. In Fachjargon spricht man häufig vom Kürzel ESG, das die verschiedenen Nachhaltigkeitskomponenten ausdrückt (Environment – Social – Governance). Neben anerkannten internationalen Standards wie Menschenrechten, Arbeitsrechten, Anti-Korruption und vielen weiteren, die für das Bistum selbstverständlich sind, werden daher Kriterien mit Bezug auf die Geschäftsaktivitäten und das Geschäftsverhalten der Unternehmen genutzt. Beispielsweise kann man Unternehmen mit einem schlechten CO2-Fußabdruck und einem Mangel an Verbesserungswillen/-management oder ein Unternehmen, das nur mit Kohlekraftwerken Umsätze erzielt, ausschließen. Neben den konkreten Unternehmensdaten ist jedoch auch die Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben, ein wichtiges Kriterium. Letztlich ist auch der Zweck der Kapitalanlage nachhaltig. So dient die Sicherung und Erfüllung der Pensionsverpflichtungen klar einem sozialen Ziel.
Wann ist eine Investition für Sie definitiv ausgeschlossen?
Das Bistum erarbeitet mit Experten ein Kriterien-Set, das konkrete Grenzen vorgibt, ob ein Unternehmen bzw. ein Staat das Kriterium erfüllt oder nicht. Dieses Set wird regelmäßig aktualisiert. Angewandt auf das Anlageuniversum ergeben sich Unternehmen, in die nicht investiert werden kann. Durch den gewählten organisatorischen Aufbau der Kapitalanlage ist sichergestellt, dass in diese Unternehmen auch nicht investiert wird. Es erfolgen hierzu stets mehrere unabhängige Prüfungen.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Divestment“?
Unter „Divestment“ wird die Desinvestition aus fossilen Energieunternehmen verstanden. Der Begriff wird häufig von Klimainitiativen als Forderung genutzt. Ziel der Forderung ist es, dass Kapitalanleger nicht mehr in Wertpapiere von Unternehmen mit Erlösen aus fossilen Energieunternehmen investieren, weil diese wesentlich zum Klimawandel beitragen. Dahinter steckt die Hoffnung, dass sich deren Kapitalkosten erhöhen und sich das Geschäft bzw. neue Projekte nicht mehr lohnen. Ebenfalls soll damit eine stärkere Öffentlichkeitswirkung erzielt werden.
Auch das Bistum macht „Divestment“. Beispielsweise werden Unternehmen mit hohen Umsatzerlösen aus Kohle ausgeschlossen. Allerdings gilt zu beachten, dass sich viele Energieunternehmen wandeln und auf erneuerbare Energiequellen setzen. Der vollständige Ausschluss würde die zwingend erforderliche Förderung dieser Entwicklung unterbinden. Gerade in den aktuellen Zeiten, in denen wir sehen, wie wichtig die Energiesicherheit und -versorgung ist, sind die Kriterien mit Bedacht zu wählen. Das Bistum sieht sich in diesem Bereich als Förderer von Energieunternehmen, die sich klar erkennbar auf dem Weg in eine treibhausgasneutrale Zukunft befinden. Dies setzen wir im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie auch in der Kapitalanlage um.
Werfen wir gemeinsam einen Blick in die Zukunft. Welche Entwicklungen erwarten Sie? Wie können wir noch nachhaltiger werden?
Auch wenn der Blick in die Zukunft durch viele Klimastudien nicht rosig ist und häufig signalisiert wird, dass das derzeitige Handeln nicht ausreicht, gibt es Lichtblicke. Immer mehr Endkunden berücksichtigen bei ihren Kaufentscheidungen Nachhaltigkeitsaspekte. Dies führt dazu, dass Unternehmen intrinsisch motiviert sind, ihre Produkte und Dienstleistungsangebote zu überarbeiten. Viele Unternehmen mit neuen, nachhaltigeren Konzepten und Geschäftsmodellen entstehen. Es ist eine Dynamik wahrnehmbar, die nicht unterschätzt werden sollte. Dies gilt ebenfalls für Entwicklungen im Finanzbereich. Auch das Bistum möchte diese nachhaltige Entwicklung fördern und trägt mit seiner Kapitalanlage dazu bei.
Und haben Sie auch einen Tipp, was jeder einzelne von uns tun kann, um nachhaltiger mit den eigenen Finanzen umzugehen?
Beim Thema Finanzen bzw. der Anlage spielen verschiedene Facetten eine Rolle. Häufig sind diese unter dem sogenannten magischen Dreieck (Risiko, Ertrag und Liquidität) bekannt. Als zusätzliche Dimension sollte hier der Nachhaltigkeitsgedanke aufgenommen werden. An verschiedenen Stellen gibt es immer wieder Konflikte zwischen diesen Zielgrößen und es sollte eine sorgfältige Abwägung und Priorisierung vorgenommen werden. Dies gilt für die Anforderungen einer Privatperson wie auch beim Bistum. Häufig ist derzeit vor allem die Transparenz zum vielschichtigen Nachhaltigkeitsbegriff in den Finanzprodukten das Problem. Durch die Etablierung eines europäischen Rahmenwerkes müssen Banken und Versicherungen ab der zweiten Jahreshälfte die Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden abfragen. Diese müssen dann im Beratungsangebot verpflichtend berücksichtigt werden. Diese Chance zur Ansprache der eigenen Nachhaltigkeitspräferenzen sollte jeder nutzen und diese klar artikulieren. Darin liegt ein großer Schlüssel, den Kapitalmarkt nachhaltiger zu gestalten.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Das Gespräch führte Cornelia Hanne, Referentin für Interne Kommunikation.)