„Wir leben von Ihnen“
Bischof Dr. Heiner Wilmer dankt LKW-Fahrern und spendet Reisesegen auf der Raststätte
Das Thema Arbeitsmigration aus Osteuropa steht im Mittelpunkt der diesjährigen Renovabis-Aktion zu Pfingsten. Um nicht nur über Arbeitsmigration zu reden, sind heute Vertreterinnen und Vertreter des kirchlichen Hilfswerkes Renovabis und des Bistums Hildesheim auf dem Rastplatz Zweidorfer Holz Süd an der Bundesautobahn 2 bei Braunschweig mit Betroffenen zusammengetroffen. Bischof Dr. Heiner Wilmer hatte mehr als nur einen Reisesegen für die LKW-Fahrer.
Auf dem Rastplatz reiht sich ein LKW an den nächsten. Ein freier Platz ist schon am frühen Abend kaum noch zu finden. Und der Blick auf die Kennzeichen verrät, dass die überwiegende Zahl der Fahrerinnen und Fahrer aus Osteuropa kommt. Fleißige Helferinnen und Helfer gehen die Reihen der Fahrzeuge ab und sprechen die Fahrer an und überreichen ihnen Taschen mit kleinen Aufmerksamkeiten als Dank für ihre Arbeit. Und sie laden die überwiegend männlichen Fahrer zur Begegnung bei Suppe und Getränke sowie zum Reisesegen ein.
Zu denen, die sich auf die Begegnung einlassen, gehören Andrej und Pavlo. Sie stammen aus der Ukraine – und berichten auf einer kleinen Bühne von ihrem Schicksal. Wie so oft sind sie auch mit ihrem LKW quer durch Europa unterwegs, als in der Ukraine der Krieg ausbricht. Pavlo hat seitdem seine Familie nicht mehr gesehen. Frau, Tochter und Schwiegermutter wurden von den Russen aus seiner Heimatstadt Cherson verschleppt. Ab und zu könne er mit ihnen telefonieren, berichtet der 48-Jährige. Andrejs Familie konnte rechtzeitig fliehen und ist in Litauen untergekommen. „Ihnen geht es gut“, sagt Andrej. Sein Zuhause ist jetzt jedoch sein LKW mit dem er Weizen aus der Ukraine nach Westeuropa transportiert. Diese Umstände und die Arbeitsbedingungen und die schlechte Bezahlung drücken aufs Gemüt, erklärt Andrej.
Ihr Schicksal macht das Motto der Pfingstaktion anschaulich: „Sie fehlen. Immer. Irgendwo“. Bischof Dr. Heiner Wilmer betont im Gespräch mit Moderator Thomas Schumann, dass das Schicksal von LKW-Fahrern den Menschen in Deutschland nicht egal sein könne: „Wir leben von ihnen. Ohne sie könnten wir unseren Lebensstil nicht aufrecht erhalten.“ Für den Bischof steht fest, dass es für die gleiche Arbeit auch eine gleiche Bezahlung geben müsse. Auch Kirche sei hier gefordert, sich in der Gesellschaft für diese Menschen einzusetzen. „Es kann nicht sein, dass schwere, anstrengende Arbeit mit schlechtem Lohn bezahlt wird“, erklärt Wilmer und spricht mit Blick auf die teils ausbeuterischen Praktiken von moderner Sklaverei.
Mehr Solidarität fordert auch Renovabis-Geschäftsführer Dr. Markus Ingenlath. Das Hilfswerk möchte die Menschen bereits in ihrem Heimatländern unterstützen, damit sie nicht auf ausbeuterische Angebote angewiesen sind. „Sie fehlen dann zwar bei uns, aber wir müssen hier mehr Solidarität leisten für eine gute Zukunft für alle“, sagt Ingenlath.
Die Veranstaltung, die von Renovabis und dem Bistum Hildesheim in Kooperation mit der Kolping-Jugend, den Maltesern und der Polizeiseelsorge organisiert worden ist, klingt nach dem Reisesegen des Bischofs für alle Anwesenden in kleineren Gesprächsgruppen langsam aus. Die LKW-Fahrer haben ausnahmsweise ja einmal Zeit, müssen sie doch den bevorstehenden Feiertag sowieso auf der Raststätte ausharren.