Wie Politik dem Wohle aller dienen kann
Professor Jürgen Manemann fordert in seinem neuen Buch einen politischen Wandel
In welche Richtung muss die Politik sich entwickeln, damit sie den Menschen wieder dient? Mit dieser Frage beschäftigt sich Professor Jürgen Manemann, Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover, in seinem neuen Buch „Wie wir gut zusammen leben. 11 Thesen für eine Rückkehr zur Politik“.
„Die Politiker sind in der Gefahr, sich von den Menschen zu entfernen. Sie lamentieren über Politikverdrossenheit. Aber sie erkennen nicht, dass sich eher eine Politikerverdrossenheit breit macht“, betont Manemann. Denn Protestbewegungen wie gegen den Bau von „Stuttgart 21“ oder die Occupy-Bewegung zeigen für den Wissenschaftler deutlich ein neues Interesse an Politik. Seine These: Politiker seien nicht davon begeistert, wenn der Wahlbürger zum „Aktiv-Bürger“ werde und sich aktiv in politische Debatten einschalte.
Dies führt Manemann auf drei Politiker-Typen zurück, die derzeit die politische Bühne beherrschen: zum einen den Politiker, der den Menschen das Gefühl vermitteln will, alles unter Kontrolle zu haben und für den Sicherheit das wichtigste Credo ist. Zum zweiten den Politiker, der den Menschen letztendlich nur wenig zutraut. Und drittens der Typus des pragmatischen Politikers, wie ihn besonders Kanzlerin Angela Merkel verkörpert. Manemanns Vorwurf: Dieser Typus gebe der Wirtschaft einen viel zu großen Raum. Auch wenn eine florierende Wirtschaft wichtig sei für ein funktionierendes Zusammenleben, sei doch eines viel bedeutsamer: „Menschen benötigen nicht bloß finanzielle Ressourcen. Und sie suchen auch nicht nur Arbeit, insbesondere herabgewürdigte Menschen suchen nach Anerkennung“, schreibt der Philosoph.
Anerkennung, Gemeinwohl, Zusammenleben, Werte: Diese Vokabeln ziehen sich wie ein roter Faden durch die 108 Seiten. Manemanns Botschaft, die sich aus seinen Thesen herauskristallisiert, ist klar: Politisches Handeln muss dem guten Leben aller Menschen dienen, anstatt lediglich die Interessen einiger weniger zu vertreten. Deshalb stellt Manemann Handlungsmaxime für Politiker auf: Gesetzestreue, Transparenz, wenn es um Vermögen und Funktionen geht, Demut, Unbestechlichkeit, Unabhängigkeit in Entscheidungsfragen, die Fähigkeit des Zuhörens. Erst dann könne eine Politik gelingen, die dem Wohle aller dient.
Und auch die Kirchen könnten dabei eine noch größere Rolle spielen, davon ist Manemann überzeugt. „Die Kirche muss denen eine Stimme geben, die keinen Anteil an der Gesellschaft haben. Denn wenn uns die Sensibilität für das Leiden von Menschen verloren geht, dann geht uns auch der Sinn für Gerechtigkeit verloren.“ Ein Beispiel für ihn: der Einsatz des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle für Migranten und illegal in Deutschland lebende Menschen. „Hier wird schon viel getan von der Kirche, aber es könnte noch mehr in der Öffentlichkeit artikuliert werden.“
Und nicht zuletzt seien die Bürger selbst mitverantwortlich dafür, dass ein gutes Zusammenleben gelingt: „Es ist die Pflicht von Bürgerinnen und Bürgern, das Handeln der Politiker kritisch zu begleiten. Nur so entsteht Veränderung.“ Dazu gehöre es nicht nur, zur Wahl zu gehen, sondern sich aktiv zu engagieren, um die Demokratie zu erhalten. Denn für Manemann gilt: „Demokratie ist die beste Regierungsform. Sie ist darüber hinaus mehr als eine Regierungsform. Sie ist eine Lebensform.“
Film-Interview mit Professor Manemann zu seinem Buch
Literaturhinweis: Jürgen Manemann: Wie wir gut zusammen leben. 11 Thesen für eine Rückkehr zur Politik. 108 Seiten. Verlag Patmos. 9,99 Euro.
Terminhinweis: Sein Buch stellt Professor Jürgen Manemann am Mittwoch, 24. April 2013, um 19.30 Uhr im Vortragsraum des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover vor (Gerberstraße 26).