Wer entscheidet was in Europa?
Katholisches Forum Niedersachsen lud zum „II. Juristenforum Celle“
Hildesheim/Celle (bph) Die europäische Einigung ist auch auf juristischem Gebiet schon weit fortgeschritten. Und das ist im Großen und Ganzen auch gut so, stellten Experten am Montag beim „II. Juristenforum Celle“ des Katholischen Forums Niedersachsen im Celler Schloss klar. „Souveränität. Perspektiven und Brüche im Zueinander von nationalem und europäischem Recht“ lautete das Thema des Tages.
„Souverän im klassischen Sinne ist heute kein europäischer Staat mehr.“ Gelegentlich etwas zugespitzt brachte Prof. Dr. Dieter Grimm, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. und Präsident em. des Wissenschaftskollegs zu Berlin, die Situation der europäischen Staatengemeinschaft auf den Punkt. Den meisten Bürgern sei dies aber nicht klar. Sie glauben noch immer, dass ihr Staat die Gesetze alleine und souverän gestalte, ergänzte Prof. Dr. Ulrich Haltern vom Lehrstuhl für deutsches und europäisches Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Hannover. Gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas von Danwitz, der als Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg arbeitet, boten sie den rund 170 Teilnehmern des Juristentages – meist hochrangige Vertreter der niedersächsischen Juristenschaft – einen fachlich sehr anspruchsvollen Überblick über das diffizile Gleichgewicht von nationalem und europäischem Recht.
Dass dieses Gleichgewicht weitgehend funktioniert, konnte von Danwitz aus erster Hand vom Europäischen Gerichtshof berichten. Rund 200 Verfahren stehen dort pro Jahr an. Die meisten Fragen werden recht pragmatisch gelöst. Gelegentlich machen die Deutschen den Richtern aber mit ihrem „Hang zur Grundsätzlichkeit“ das Leben schwer, berichtete der EU-Richter aus seiner Arbeit.
Unterschiedlich beurteilten die Referenten die Zukunftsaussichten des vereinigten Europas. Während von Danwitz recht optimistisch ist, dass der Pragmatismus auch in Zukunft Europa voranbringen werde, erwartet Grimm in den Nationalstaaten wachsende Widerstände gegen Europa, da die Europäische Kommission einen „Konfliktkurs“ fahre und damit mancherorts Widerstände provoziere.
Eine Einschätzung, die auch Dr. h.c. Martin Biermann, Oberbürgermeister der Stadt Celle, teilt. Die Europäischen Gremien schreiben den Kommunen der einzelnen Länder zu viel vor, klagte der Oberbürgermeister und warnte: Es sei nicht ausgemacht, dass die Einigung Europas immer weiter voranschreiten müsse. „Möglicherweise fährt der Zug irgendwann in die entgegen gesetzte Richtung.“
Auch die Kirchen werden die Macht der europäischen Kommissionen noch zu spüren bekommen, sagten die Referenten dem Hildesheimer Bischof Norbert Trelle, der unter anderem mit seinem Generalvikar nach Celle gekommen war. In Fragen der Antidiskriminierung, der Bioethik und dem kirchlichen Arbeitsrecht erwarten die Experten in Zukunft manche harte Diskussion mit den Kirchen.