Weniger Freiheiten, mehr Ethik
Bischof Norbert Trelle fordert ein Umdenken zur Bewältigung der Wirtschaftskrise
Hildesheim/Hannover (bph) Die Freiheit der Finanzmärkte sollte eingeschränkt und Steueroasen international aufgelöst werden. Gleichzeitig müssen internationale Institutionen wie die Weltbank gestärkt werden, fordert der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle. Vor allem aber sollten die wirtschaftlichen Eliten wieder zu „moralischen Führern“ werden, sagte der Bischof am Freitagabend in Hannover beim „Kreis der Vorsitzenden der hannoverschen Versicherungswirtschaft“.
Angesichts der aktuellen Rezession stellt sich nach Ansicht des Bischofs nicht nur die Konjunktur- sondern bereits die Systemfrage. Der Kapitalismus sei keineswegs davor gefeit, so zusammen zu brechen wie der Sozialismus, deutete das Hildesheimer Kirchenoberhaupt an. Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise ist nach seinen Worten nicht nur eine wirtschaftliche sondern auch eine kulturelle Krise. Das Wirtschaftssystem verliere derzeit seine mentalen Voraussetzungen, beklagte der Bischof, daher sei eine elementare Verständigung über die Grundlagen unseres Wirtschaftssystems erforderlich, um einen Zusammenbruch des Kapitalismus zu verhindern.
Lösungsmöglichkeiten sieht Bischof Trelle zum einen in verschiedenen ordnungspolitischen Maßnahmen, zum zweiten in einem Umdenken der Wirtschaftsführer. Zunächst seien die Notenbanken in der Überwachung von Geldvolumina „zu deutlich schärferen und umfassenderen Kontrollen gehalten“. Da die Finanzmärkte sich global nicht mehr selbst regulieren können, müssten Institutionen wie die Weltbank oder der GB-Gipfel gestärkt werden. Eindringlich bat der Bischof die Führer der Versicherungswirtschaft in Hannover, keine falschen Anreize für hohe Managergehälter zu setzen. Trelle sprach sich zwar eindeutig gegen eine Begrenzung solcher Gehälter aus, sieht aber in deren Kopplung an kurzfristige Renditeziele eine der Ursachen der gegenwärtigen Krise.
Märkte dürfen nicht überreguliert werden, das stellte auch der Hildesheimer Bischof klar. Schon gar nicht sei es Sache der Kirchen, Instrumente und Maßnahmen zur Regulierung von Finanz- und Wirtschaftsmärkten zu entwerfen. Als Kirchenführer betonte der Bischof vielmehr die persönliche Verantwortung von Managern, die sich am Gemeinwohl orientieren müsse. Es habe sich leider in vielen Bereichen eingebürgert, die Wirtschaft als ethikfreien Raum zu betrachten. Trelle nannte Schwarzarbeit, falsche Steuererklärungen und Bilanztricks als Beispiele. Deshalb müsse die ethische Ausbildung an den Universitäten verstärkt werden. In diesem Zusammenhang regte Trelle auch an, die wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühle stärker mit den Ethik-Lehrstühlen der theologischen und philosophischen Fakultäten zu verzahnen.
Bischof Norbert Trelle sprach auf Einladung von Georg Zaum, Vorstandsvorsitzender der Mecklenburgische Versicherungsgruppe, beim Kreis der Vorsitzenden der hannoverschen Versicherungswirtschaft zur Frage „Wo stehen wir? Ökonomische und nicht-ökonomische Wahrnehmungen im Blick auf die Rezession.“