Trelle fordert mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen
Tag der Caritas-Behindertenhilfe thematisiert zeitgemäße Formen der Betreuung
Beim jährlichen Tag der Caritas-Behindertenhilfe in Niedersachsen drehte sich an diesem Dienstag in Hannover alles um die Frage, wie Menschen mit Behinderungen ihr Leben noch stärker selbst planen und bestimmen können.
„Die ziemlich rambohaft geführten Diskussionen der Vergangenheit um Themen wie Inklusion liegen hinter uns“, begrüßte Dr. Hans-Jürgen Marcus, Direktor des Diözesan-Caritasverband Hildesheim, die rund 150 Gäste und Teilnehmer des Tages. „Heute schauen wir von ihren Ressourcen aus auf Menschen mit Behinderungen.“ Darum stelle sich im Alltag von professionellem Personal immer stärker die Frage, wie Selbstbestimmung von Menschen mit zum Beispiel geistigen Beeinträchtigungen funktionieren könne.
„Jeder Einzelne muss gefragt werden, was ihm wichtig ist, weil jeder Mensch, egal mit welcher Behinderung, ein Individuum ist, ein Ebenbild Gottes und etwas Besonderes“, sagte der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle während der Eröffnungsfeierlichkeiten. „Was den Menschen zum Menschen macht, sind nicht seine Fähigkeiten oder seine Schönheit, sondern der Atem Gottes, der in allen Menschen wohnt. Wir müssen lernen, direkt mit den Betroffenen zu kommunizieren, auch wenn das manchmal bedeutet, den etwas anstrengenderen Weg zu gehen.“ Er empfinde darum große Dankbarkeit gegenüber den Leistungen der Caritas-Mitarbeiter, die ein „Herz für die Schwachen“ hätten.
„Selbstbestimmung in der Behindertenhilfe heißt nicht nur, als Betreuer sensibel dafür zu sein, wenn jemand eine bestimmte Hilfe verbal oder nonverbal abwehrt“, meinte dazu der ebenfalls eingeladene Experte Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin. „Es heißt auch, dass ein Mensch mit Behinderung die Freiheit hat 'Ja' zu sagen zu Beziehungen zu anderen Menschen oder zu einer Gemeinschaft.“ Die Betreuer sollten die Menschen mit Behinderungen nicht überbehüten, sondern assistierend wie ein Anwalt zur Seite stehen und ihnen so Würde geben. Ein schwieriger Spagat, befand das Plenum, das in Workshops zu Themen wie selbstbestimmte Sexualität von Menschen mit Behinderungen und selbstbestimmtes Leben im Alter ihre Fragen tiefergehend diskutierten.
Die Caritas ist ein weltweit agierender Wohlfahrtsverband der Katholischen Kirche und wendet sich besonders den Menschen zu, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die Caritas betreibt dafür viele Einrichtungen, unter anderem für Menschen mit Behinderungen, und bietet Beratungsangebote in schwierigen Lebenssituationen. In ihrer Organisation lehnt sich die Caritas teilweise an die territoriale Struktur der deutschen Bistümer an. So waren auf dem Tag der Behindertenhilfe in Niedersachsen die Caritasverbände des Bistums Hildesheim und die Ortsverbände aus Osnabrück und aus Vechta vertreten, da sie alle sich auf dem territorialen Gebiet des politischen Landes Niedersachsen befinden. Neben dem Caritasverband der Diözese Hildesheim war auch die Stiftung „mitten ins Leben“ der Katholischen Behindertenhilfe im Bistum Hildesheim Veranstalter des Tags der Behindertenhilfe.