Tödliches Lachen
NDR-Fernsehteam drehte im Hildesheimer Bistumsarchiv über „Humor im Dritten Reich“
Hildesheim (bph) Er bezahlte einen regimefeindlichen Witz im Dritten Reich mit dem Leben und steht dafür nun im Mittelpunkt eines NDR-Fernsehfilms: In diesen Tagen öffnete Bistumsarchivar Dr. Thomas Scharf-Wrede für ein Fernsehteam die Akten des hingerichteten Pfarrers Joseph Müller.
Immer wieder erzählt Scharf-Wrede zwischen riesigen Aktenschränken vor laufender Kamera jenen Witz, für den der Pfarrer von Groß Düngen am 11. September 1944 unter dem Fallbeil starb. „Bitte noch einmal und so, dass auch Nicht-Bibelfeste die Pointe verstehen“ bittet Redakteur Rudolph Herzog, der mit Kameramann und Assistenten umfangreiches technisches Material in den engen Räumen aufgebaut hat.
Tatsächlich ist jener Witz, den Pfarrer Joseph Müller auf dem Höhepunkt des Krieges bei einem Hausbesuch einem alten, kranken Mann erzählte, heute nicht mehr jedem verständlich. Es geht darin um einen schwer verwundeten Soldaten, der sich im Lazarett den „Führer“ Adolf Hitler und den „Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches“ Hermann Göring an sein Sterbebett wünscht. Natürlich gehe das nicht, sagt die Lazarettschwester, stellt ihm aber zum Trost je ein Bild Hitlers und Görings rechts und links an sein Bett. „Jetzt sterbe ich wie Christus“, sagt darauf der Verwundete.
Eine klare Anspielung auf den Tod Jesu, der zwischen zwei Schwerverbrechern gekreuzigt wurde. So verstand das auch der berüchtigte Nazi-Richter Roland Freisler vom Volksgerichtshof in Berlin, der den damals 49-jährigen Pfarrer Müller wegen „Zersetzung des Wehrkraftwillens des deutschen Volkes“ zum Tode verurteilte.
Die Prozessakten und der Schriftverkehr in der Sache Müller sind gut dokumentiert im Hildesheimer Bistumsarchiv. So lässt sich auch rekonstruieren, dass Pfarrer Müller vom Sohn jenes kranken Mannes, dem er den Witz erzählt hatte, denunziert wurde. Immerhin haben Groß Düngener damals noch versucht, ihren Pfarrer durch Eingaben und persönliches Erscheinen in Berlin zu retten. Vergeblich. Müller musste für diesen Witz sterben.
„Vermutlich der einzige Witz, den Pfarrer Müller jemals erzählt hat“, glaubt Scharf-Wrede. Denn Joseph Müller galt als still und verschlossen, nahezu ängstlich. Doch die beeindruckenden Abschiedsbriefe, die er wenige Stunden vor seinem Tod schrieb, zeugen von einer beeindruckenden Unerschrockenheit und Glaubensstärke. Auch diese Briefe finden sich in Müllers Personalakte.
Mehrere Stunden verbrachte das NDR-Fernsehteam im Hildesheimer Bistumsarchiv. Redakteur Rudolph Herzog will den Fall des Pfarrers Joseph Müller in den Mittelpunkt eines Fernsehbeitrags über „Humor im Dritten Reich“ stellen. Dieser Film wird vermutlich im Jahre 2006 im NDR-Fernsehen und bei „arte“ laufen.