Steine erzählen Geschichte
Bistumsarchäologen finden alte Kathedralfundamente und Domfußboden
Hildesheim (bph) Stein um Stein wächst das Wissen um die Baugeschichte des Hildesheimer Doms. Die Bistumsarchäologen um Diözesankonservator Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse und Grabungsleiter Dr. Helmut Brandorff sind in den vergangenen Monaten zwischen dem Westwerk des Doms und dem Bischöflichen Generalvikariat auf die rund 1000 Jahre alten Fundamente der großen Kathedrale von Bischof Azelin gestoßen. Seit kurzem ist zudem der frisch restaurierte Domfußboden des Bischofs Bernward im Bischöflichen Generalvikariat ausgestellt.
Im Jahre 1046 wütet Feuer am Hildesheimer Domhof. Große Teile des Doms von Bischof Altfrid werden zerstört. Bischof Azelin (1044 bis 1054) plant einen gewaltigen Neubau – allerdings in westliche Richtung. Wegen massiver Baumängel wird dieses architektonische Experiment jedoch von Azelins Nachfolger Bischof Hezilo aufgegeben. Hezilo baut den Dom an alter Stelle wieder auf, richtet aber im fast fertigen Westquerhaus des Azelin seinen Bischofspalast ein – die Vorläufer des heutigen Bischöflichen Generalvikariats.
Als im Sommer dieses Jahres eine Fernwärmeleitung zwischen Dom und Bischöflichem Generalvikariat verlegt wurde, ergriffen die Archäologen die Gelegenheit und suchten nach den Fundamenten von Azelins aufgegebenem Dom. Ihre Funde stimmen tatsächlich mit älteren Grabungen aus den 1960er Jahren von Joachim Bühring vom Landesamt für Denkmalpflege überein. Sie zeugen vom Können der damaligen Bauleute: „Die erstaunliche Fundamentbreite und die Gründung auf den gewachsenen betonharten Geschiebelehm lässt auf einen erfahrenen Baumeister in der Mitte des 11. Jahrhunderts schließen“, sagt Prof. Kruse und vermutet, dass die Kirche im Jahre 1054, als Bischof Azelin plötzlich starb, schon bis zur Höhe des Fußbodens des zweiten Obergeschosses des Bischöflichen Generalvikariats fertig war und die Seitenschiffe ebenfalls bis zur Traufe aufrecht gestanden haben. „Gründungsschwierigkeiten gab es nur ganz im Westen des Domhügels, wo eine Ecke auch einmal abgerutscht ist“, weiß Kruse aus früheren Grabungen mit Studenten.
Gefunden hat das Grabungsteam auch Fundamente für die breite Westvorhalle des Doms, die Bischof Bernward um 1015 für die Türflügel errichten ließ. Von dem großartigen Westparadies, das Bischof Godehard vor den Dom baute, ließen sich zwar Fundamente ergraben. Daraus lässt sich jedoch kein vollständiges Paradies rekonstruieren. „Wenn vor der Einweihung des Domes 2014 die Baubetonplatten entfernt und die Pflasterung fertiggestellt wird, werden wir hier noch einmal graben“, verspricht der Diözesankonservator.
Interessantes zeigt auch der Blick in die laufende Grabung im Nordparadies, wo die karolingische Tür des Altfriddomes mit dem ersten Gewändestein noch erhalten ist und ein Weg aus der Stadt Hildesheim direkt auf sie zuläuft. Einen Umbau zur Zeit Bischof Bernwards mit einer neuen Vorhalle für die weltberühmten Bronzetüren hat es hier jedoch nach Kruses Ansicht nicht gegeben.
Warm und trocken liegen Funde von Bernwards Domfußboden aus der Zeit kurz vor dem Jahr 1000 seit einigen Wochen im Eingangsbereich des Bischöflichen Generalvikariats. Sie stammen von der Nordseite des Dommittelschiffs. Der Fußboden trennte einst das lange Mittelschiff genau in der Mitte. Hier könnte auch der von Bischof Bernward gestiftete und beim Brand vernichtete Radleuchter gehangen haben, vermutet Kruse.
Bernward hat auf den Altfridfußboden, der aus einem Kalkestrich mit hochkant verlegten Sandsteinbrocken bestand, einen weiteren Estrich auftragen lassen. Dieser war durch Ziegelsteine mit Rauten in der Mitte und Rechtecke an den Seiten, die Bernward brennen ließ, gegliedert und diente wohl auch als Prozessionsweg vom Mittelschiff zum Vierungschor. Beim Brand im Jahre 1046 ist dieser Fußboden durch das herabtropfende flüssige Blei und brennende Dachbalken teilweise stark zerstört worden. Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim haben das gefundene Fußbodenfragment nun restauriert.