Neuland betreten
Duderstadt erhält erste integrierte Gesamtschule Niedersachsens in kirchlicher Trägerschaft
Duderstadt (bph) „Es ist eine Zäsur in der langen Geschichte der St.-Ursula-Schule, aber vor allem eine Chance für einen neuen Aufbruch“: Mit diesen Worten hat Bischof Norbert Trelle am Donnerstag die erste integrierte Gesamtschule (IGS) in kirchlicher Trägerschaft in Niedersachsen eröffnet. Die St.-Ursula-Schule in Duderstadt war bisher eine Haupt- und Realschule des Bistums Hildesheim.
„Wir wollen das Modelle einer integrierten Gesamtschule mit kirchlichen Inhalten füllen – ganz ohne ideologische Scheuklappen “, betonte Bischof Trelle. Dadurch gewinne die neue IGS ein besonderes Profil. Und sie könne ihre erfolgreiche pädagogische Arbeit, vor allem die individuelle Förderung der Schüler, mit noch umfassenderen Möglichkeiten fortsetzen: „Wir wollen Kinder und Jugendliche befähigen, den gesellschaftlichen Wandel mitzugestalten. Dazu ist eine gute, umfassende Bildung unerlässlich“, hob Bischof Trelle hervor: „Die soziale Atmosphäre, das Kümmern um die Anliegen eines jeden Schülers ist ein besonders Merkmal unserer katholischen Schulen – in diesem Sinne wollen wir auch unsere erste Gesamtschule gestalten.“
Mit 102 Schüler in vier Klassen habe vor zwei Wochen der Unterricht bekommen, sagte Schulleiter Ingo Bickel: „Die Eltern haben uns mit der Anmeldung ihrer Kinder einen großen Vertrauensvorschuss gegeben – in diesem Sinne müssen wir jetzt die St.-Ursula-Schule weiterentwickeln.“ Bickel verwies auf noch zu verwirklichende Bauvorhaben. Eine neue Mensa müsse für den Ganztagsbetrieb gebaut und die Turnhalle saniert werden: „Während andere von der Wichtigkeit von Bildung reden, setzt das Bistum Hildesheim in Duderstadt ein deutliches Zeichen – auch durch finanziellen Einsatz in Gebäude und Arbeitsplätze.“
Dr. Jörg-Dieter Wächter erinnerte an die lange Vorgeschichte der neuen Gesamtschule. Mit der Abschaffung der Orientierungsstufe im Jahr 2004 sei die Schülerzahl an der St.-Ursula-Schule schlagartig um 40 Prozent gesunken. Zu diesem Zeitpunkt lief der Lehrbetrieb als Hauptschule mit Orientierungsstufe. Zwar wurde dem Bistum in Verhandlungen mit dem Land Niedersachsen zugesagt, als Ausgleich einen Realschul- und einen Gymnasialzweig zu errichten. Der Kreistag jedoch stimmte nur einem einzügigen Realschulzweig zu. Doch als im Jahr 2008 die Landesregierung die Regelungen für Gesamtschulen lockerte, eröffneten sich neue Möglichkeiten für die St.-Ursula-Schule.
Wächter riet dazu, bildungspolitische Debatten nüchtern zu führen: „Die Welt der Pädagogik ist eine Welt voller Mythen, Legenden, Wundergeschichten, Erlösungsfantasien. Einer dieser Mythen besagt, dass die Schulstruktur die Quelle des Heils oder Unheils sein kann.“ An der Schulform liege es nicht, ob eine Schule eine gute Schule sei.
„Wir wissen aber, dass Kinder dann gut lernen, wenn sie in einer angstfreien Atmosphäre lernen“, betonte Wächter. Druck, Stress und verbissener Leistungszwang hätten noch niemals starke und freie Menschen hervorgebracht: „In katholischen Schulen, das bestätigt uns die Niedersächsische Schulinspektion, gibt es immer eine Atmosphäre des Angenommen-Seins, der gegenseitigen Achtung.“ Dieser Geist eines guten Miteinanders präge die St.-Ursula-Schule. „Und die Gesamtschule bietet einige Chancen, die im bisherigen System, in der bisherigen Struktur so nicht zu realisieren waren“, meint Wächter. Anspruch sei, die Kinder noch besser als bisher zu fördern: „Gemeinsam lernen, auch bei unterschiedlichen Begabungen und Talenten, das verbindet, das schafft Gemeinschaft, in der der Einzelne mehr zählt als seine Zeugnisnote.“
An der St.-Ursula-Schule – also der bisherigen Haupt- und Realschule sowie der neuen Gesamtschule – lernen zurzeit 450 Schülerinnen und Schüler. Das Kollegium umfasst 36 Lehrkräfte und neun Anwärter sowie eine Sozialpädagogin. Die Haupt- und Realschule wird so lange unterhalten, bis der letzte Schüler seinen Abschluss gemacht hat. Eine gymnasiale Oberstufe wird in der IGS St. Ursula nicht angeboten.