Neues wagen, sich auf die Offenbarung Gottes einlassen
Bischof Heiner Wilmer spricht in der Michaeliskirche beim Jahresempfang des Sprengels Hildesheim-Göttingen über Mose
Die rund 700 Gäste auf dem Jahresempfang des evangelischen Sprengels Hildesheim-Göttingen erlebten eine Premiere: Landessuperintendent Eckhard Gorka, leitender evangelischer Geistlicher, hatte seinen katholischen Kollegen Bischof Heiner Wilmer für einen Vortrag gewonnen. Darin beschrieb dieser den Bogen von Mose als biblischer Führungsgestalt bis zum Europa der Moderne.
An Stelle Gorkas, der sich nach einer OP noch in Anschlussheilbehandlung befindet, begrüßte Katharina Henking, Superintendentin im Amtsbereich Alfeld des Kirchenkreises Hildesheimer Land-Alfeld die Gäste aus öffentlichem Leben und Kirchengemeinden. Sie war es auch, die Wilmer ein Christusmedaillon überreichte. Dieser 3-D-Faksimiledruck eines größeren Originals stammt aus dem Kloster Amelungsborn bei Holzminden. Landessuperintendent Gorka steht dem evangelischen Konvent dort als Abt vor, in der Tradition der Zisterzienser. „Das kleine Geschenk versinnbildlicht das geschwisterliche Miteinander zwischen evangelischer und katholischer Kirche, so wie es Bischof Wilmers Vortrag in der Michaeliskirche auch im Großen tut“, sagte Katharina Henking bei der Überreichung.
Der Hildesheimer Bischof entwarf im großen Rahmen die Lebenserzählung von Mose. Von der Aussetzung des Neugeborenen im Kästchen auf dem Nil, dem Auffinden des Kindes durch die Tochter des Pharao, Aufwachsen, Erfolg und Scheitern und immer wieder seinem Ringen mit Gott. Anders als es in den Erzählungen über Abraham und Noah berichtet wird, fügte Mose sich aber nicht ohne Widerstand in Gottes Pläne. Jedoch siegte schlussendlich immer seine Bereitschaft, Neues zu wagen und sich auf Gottes Offenbarung einzulassen. Neugierig zu sein ist für Heiner Wilmer wichtige Führungsqualität, Offenheit und Interesse an der Welt gehören für ihn zur guten „Leadership“ dazu.
In seinem Buch „Hunger nach Freiheit. Mose – Wüstenlektionen zum Aufbrechen“ hat Heiner Wilmer seine Interpretation der biblischen Person beschrieben, an diesen Gedankengängen orientierte er sich auch im Vortrag. Dabei blieb eine kritische Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Religion nicht aus. Der britische Rabbi Jonathan Sacks habe dazu als These formuliert: „Je abstrakter der Gottesbegriff, desto humaner die Gesellschaft“, hob Wilmer hervor.
Für das Europa im 21. Jahrhundert erinnerte Heiner Wilmer abschließend daran, dass die abendländische Kultur nicht nur in Athen und in Rom ihre Wurzeln habe. Freiheitsliebe, Sehnsucht nach Aufbrüchen, Neugier, das alles sei ihr schon lange vorher in die Wiege gelegt worden. In den biblischen Erzählungen aus Ägypten und Israel, wie der Lebensgeschichte des Mose als herausragende Führungsgestalt.
Helge Meyn-Hellberg