Neue Kleider für den Schatz
Experten diskutieren in der Hildesheimer Dombibliothek über den Albani-Psalter
Hildesheim (bph) Mit Leder und in Eiche und auf jeden Fall in Fischgrätheftung – so soll der mittelalterliche Albani-Psalter nach dem Willen von Experten 2015 wieder gebunden werden. Zurzeit ist diese unschätzbare Handschrift in ihre Einzelseiten zerlegt im Dom-Museum Hildesheim zu sehen. Aus Anlass dieser Ausstellung trafen sich am Donnerstag und Freitag namhafte internationale Handschriften-Experten, um in der Hildesheimer Dombibliothek unter anderem die Frage eines neuen Einbandes für das Werk zu diskutieren.
Was dem Gerichtsmediziner blaue Flecken an der Leiche, das sind dem Handschriften-Experten Verfärbungen am Pergament. Mindestens drei verschiedene Heftungen haben bislang die Pergamentseiten des Albani-Psalter mit seinen mehr als 200 farbigen Zeichnungen und brillant gemalten Szenen aus dem Leben Jesu zusammen gehalten. Das zeigen Untersuchungen von Almuth Corbach und Heinrich Grau von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Ihre Erkenntnisse stellten sie am Freitagmorgen den Experten aus Deutschland, England, Frankreich, der Schweiz und Tasmanien vor. Als die Mönche das Werk nach seiner Entstehung im 12. Jahrhundert zum ersten Mal banden, nutzten sie dafür vermutlich die Fischgrätheftung, eine romanische Bindetechnik, bei der der Faden durch geschnittene Löcher im Pergament geführt wurde und sich am Rücken der Pergamentlagen zwei Bünde abzeichneten. Irgendwann erhielt das Buch dann eine neue Heftung mit drei Bünden und alaunbehandelten Lederriemen. Diese Riemen sind zwar längst verloren, doch ihre Spuren haben die Jahrhunderte überdauert: Durch die Gerbstoffe des Lederfadens nahm das Pergament nämlich an diesen Stellen keinen Leim an. Noch heute zeigen daher Aufhellungen am Rücken der Pergamente, wo einst die Heftung war.
Wann der Psalter neu geheftet wurde und warum – das weiß man nicht genau. „Auch bei der Bindung von Büchern gab es immer wieder neue Moden“, weiß Handschriftenexpertin Almuth Corbach. Wahrscheinlich war aber die ursprüngliche Bindung durch den häufigen Gebrauch des Buches schlicht ausgeleiert. Genaueres weiß man dagegen aber über die dritte Heftung, die der Hildesheimer Buchbindermeister Sackmann im Jahre 1939 anfertigte. Er stach noch zwei weitere Reihen Heftlöcher ins wertvolle Pergament.
Sackmanns Arbeit wurde 2006 aufgelöst, als man den Albani-Psalter in der Hildesheimer Dombibliothek in seine Einzelseiten zerlegte. Im folgenden Jahr ließ Jochen Bepler, Direktor der Dombibliothek, sämtliche Pergamente mit einer speziellen Fototechnik abfotografieren, um daraus Faksimiles zu gestalten. Zurzeit sind alle Seiten in der Ausstellung „Der Albani-Psalter – Gottesfurcht & Leidenschaft“ im Dom-Museum zu sehen. Danach werden sie wahrscheinlich an ausgewählte internationale Museen ausgeliehen, ehe Bepler sie im Jahre 2015 wieder zu einem Buch binden lassen will.
Wie die neuen Kleider dieses kostbaren Schatzes dann aussehen sollen, ist noch nicht entschieden. Almuth Corbach und Heinrich Grau empfahlen am Freitag die ursprüngliche Fischgrätheftung, einen geraden Rücken ohne Leimung und zwei Holzdeckel aus Eiche mit einer Schließe. Das kommt nach Corbachs und Graus Überzeugung der ursprünglichen Gestalt des Einbandes am nächsten, ist repräsentativ und bewahrt dennoch den spirituellen und sakralen Charakter dieses mittelalterlichen Meisterwerkes.
Die Internationale Tagung zum Albani-Psalter wurde gemeinsam mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel durchgeführt und holte etwa ein Dutzend Handschriften-Experten nach Hildesheim. Unter den etwa 30 Zuschauern und Gästen waren auch Studierende der Hildesheimer Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK). Der Albani-Psalter selbst ist unter dem Titel „Gottesfurcht & Leidenschaft“ noch bis 24. Januar nächsten Jahres im Dom-Museum Hildesheim zu sehen.
Information zur Ausstellung:
“Der Albani-Psalter – Gottesfurcht und Leidenschaft“,
12. September 2009 bis 24. Januar 2010,
Dom-Museum Hildesheim, Domhof 4, 31134 Hildesheim
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr,
Heiligabend, 1. Weihnachtstag, Silvester und Neujahr geschlossen
Eintritt: 6 Euro (4 Euro)