Licht und Schatten
Die gerechte Entschuldung Boliviens kommt nur schleppend voran
Hildesheim/Berlin (bph) Eine durchwachsene Bilanz der Entschuldung Boliviens haben Vertreter der Bistümer Hildesheim und Trier sowie des Hilfswerks "Misereor" gezogen. Am Montagnachmittag stellten sie im Berliner Abgeordnetenhaus "Paul-Löbe-Haus" Parlamentariern die Ergebnisse der Studie "Ende der Schulden oder Schulden ohne Ende?" vor.
1998 kam das südamerikanische Land Bolivien – Partnerland der Bistümer Hildesheim und Trier – in den Genuss einer ersten Entschuldung. Nicht zuletzt deutsche Katholiken hatten sich damals stark dafür eingesetzt. Dieser so genannten HIPC I-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries) folgte 2001 eine zweite Entschuldungsrunde (HIPC II), in der dem Land wiederum ein Teil seiner Auslandsschulden erlassen wurde. Dafür hatte sich die bolivianische Regierung verpflichten müssen, den gesparten Schuldendienst für die Bekämpfung der Armut einzusetzen. Bürgerschaftliche Komitees sollten den Einsatz dieser Gelder überwachen.
Drei Jahre nach HIPC II liegt nun die Studie "Ende der Schulden oder Schulden ohne Ende? Die HIPC-Entschuldungsinitiative für Bolivien" vor. Sie wurde im Auftrag der beiden deutschen Diözesen von ProPACS, einem Programm der bolivianischen Bischofskonferenz zur Förderung von Bürgerbeteiligung und zivilgesellschaftlicher Kontrolle (Programa para la Promoción de la Participatión y del Control Social) und der Stiftung Jubileo erstellt. Danach ergibt sich ein sehr durchwachsenes Bild, das Ekatherine Murillo von der Bischöflichen Kommission für Sozialpastoral in La Paz, Bolivien, bei der Vorstellung der Studie in Berlin zeichnete. 410 Millionen US-Dollar hat das südamerikanische Land seit 2001 an gesparten Schuldenzinsen in Gesundheits- und Bildungsprogramme gesteckt. Weitere 727 Millionen Dollar flossen für Maßnahmen der Armutsbekämpfung in die bolivianischen Kommunen. Dank dieser Gelder arbeiten in Bolivien heute rund 4.300 Lehrer mehr als zuvor und rund 2.200 Fachkräfte konnten im Gesundheitswesen eingestellt werden. "Der Mangel an Personal in diesen Bereichen ist heute teilweise behoben", konnte Murillo den Abgeordneten mitteilen.
Allerdings zeigt die Studie auch große Schatten auf: Die neuen Stellen wurden vorwiegend in den Städten geschaffen, so dass die Landbevölkerung Boliviens nur wenig davon profitiert. Die Qualität der Leistungen im Gesundheits- und Bildungswesen hat sich kaum verbessert und die Kommunen sind oft mit der Aufgabe überfordert, das Geld richtig einzusetzen. Nicht selten werde das Geld in den Bau von Gebäuden gesteckt, statt die wirtschaftlichen Strukturen der Bevölkerung zu stärken, beklagte die bolivianische Expertin. Auch die Entscheidung der bolivianischen Regierung, 630 Millionen Dollar aus den Entschuldungsgeldern zur Deckung des Haushaltsdefizits zu verwenden, sei in Bolivien sehr umstritten. Korruption und die noch immer sehr labile politische Situation behinderten ebenfalls die Armutsbekämpfung. Die Gläubigerstaaten wie zum Beispiel Deutschland sollten sich daher weiterhin für einen gerechten Schuldenerlass einsetzen, der die Interessen der breiten Bevölkerungsmehrheit berücksichtige, forderte Murillo: "Sie als Abgeordnete spielen dabei eine entscheidende Rolle."