Leuchten zum Wohl des Stifters
Ein Expertengespräch erbrachte neue Erkenntnisse zum Hezilo-Leuchter
Hildesheim (bph) Der weltberühmte Hezilo-Leuchter im Hildesheimer Dom war eigentlich kein Leuchter. Sein eigentlicher Zweck im Mittelalter war, gestiftete Kerzen abzubrennen. Das hat jetzt das "Hezilo-Werkstattgespräch" gezeigt, zu dem sich 22 deutsche Wissenschaftler in Hildesheim trafen.
Seit zwei Jahren wird der Radleuchter des Bischofs Hezilo, der zum Weltkulturerbe zählt, gründlich restauriert. In weiteren zwei Jahren sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Grund genug, zur Halbzeit renommierte Experten verschiedener Fachdisziplinen nach Hildesheim einzuladen. Die bestätigten dem Restauratorenteam, "dass wir auf dem richtigen Weg sind", wie es Projektleiter Dr. Norbert Bergmann nicht ohne Stolz formuliert.
Aber mehr noch: Der Hezilo-Leuchter, der bislang wissenschaftlich gesehen etwas in der Luft hing, sollte fachlich in die Nachbarwissenschaften des Restaurierungswesens eingebettet werden. Unter den 22 Experten aus ganz Deutschland, die sich am Donnerstag und Freitag vergangener Woche in Hildesheim zum wissenschaftlichen Austausch trafen, waren denn auch Historiker, Kunsthistoriker und Experten für Wirtschaftsgeschichte, außerdem Archäologen, Theologen, Naturwissenschaftler und andere Fachleute.
Eine der neuen Erkenntnisse: Wahrscheinlich dienten die 72 Kerzen, die der Leuchter tragen konnte, nicht unbedingt zur Erhellung der Kirche. Vielmehr galt es im Mittelalter als Ausdruck großer Frömmigkeit, Kerzen zu stiften. Die sich selbst verzehrende Kerze, nach mittelalterlicher Auffassung "reine Materie", galt als Sinnbild Christi, der sich für das Heil der Menschen geopfert hat. Kerzen waren daher auch ein Opfer für das eigene oder fremde Seelenheil. Sie galten in jenen Jahren als Kostbarkeit und Kerzenstiftungen konnten leicht das mehrfache Jahreseinkommen eines einfachen Handwerkers betragen. Das war eine Sache für Reiche. Natürlich sollten die Kerzen in einem würdigen Rahmen abgebrannt werden und Bischof Hezilo hat mit seinem Leuchter einen mehr als kostbaren "Stiftungsträger" schmieden lassen. "Das war uns bislang so nicht bewusst", sagt Dr. Bergmann.
Noch eine neue Erkenntnis: Radleuchter gehörten im Mittelalter zur Ausstattung einer jeden größeren Kirche. Insofern ist der Hezilo-Leuchter nichts Besonderes. Aber seine Größe und kostbare Ausstattung hoben ihn wahrscheinlich über die meisten der längst verschwundenen Radleuchter hinaus und dürfte schon zu seiner Entstehungszeit für Aufsehen gesorgt haben.
Durch das "Hezilo-Werkstattgespräch" habe man viele wissenschaftliche Anregungen bekommen, zeigten sich Dr. Bergmann und Diözesankonservator Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse zufrieden. Vielleicht sei es eines Tages möglich, aus der chemischen Zusammensetzung der Kupferlegierungen die Herkunft der Metalle herauszufinden, hofft Kruse. Leider seien dazu im Moment keine finanziellen Mittel vorhanden. "Es ist aber auf jeden Fall richtig, jeden Restaurierungsschritt genau zu dokumentieren", schließt Bergmann, "auch wenn man dies erst in vielen Jahren wissenschaftlich auswerten kann."
Der Hezilo-Leuchter wurde von Bischof Hezilo (1054-1079) für den von ihm wiederaufgebauten Hildesheimer Dom in Auftrag gegeben. Die erste bekannte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1276. Er ist mit einem Durchmesser von über sechs Metern und über 1.500 Teilen der größte der vier Radleuchter, die im deutschsprachigen Raum noch vorhanden sind (Barbarossa-Leuchter in Aachen, Hartwig-Leuchter auf der Großcomburg und Azelin-Leuchter in Hildesheim). Der Leuchter besteht aus zwölf Abschnitten mit jeweils einem Turm und Tor, die das "himmlische Jerusalem" symbolisieren.
Wegen gravierender Schäden an Fügungen und Material wird der Leuchter bis zum Jahre 2006 in verschiedenen Arbeitsschritten restauriert. Dazu entnehmen die Restauratoren jeweils ein Zwölftes des Rades und ersetzen es durch einen "Dummy". Bislang sind sechs von zwölf Segmenten restauriert. Die Arbeit in der Restaurierungswerkstatt belässt die Veränderungen der letzten großen Restaurierung unter Prof. Küsthardt aus Hildesheim. Sie beseitigt jedoch alle Verschmutzungen, entfernt mit einem YAK-Laser die auf Dauer zerstörende Kupferkorrosion, hinterlegt die zerstörten Metallverbindungen und schützt das gereinigte Gold mit einem Wachsüberzug. Die Kosten betragen etwa 1,33 Millionen Euro.