Leerstellen lesen lernen

Norbert Trelle fordert beim Aschermittwoch der Künstler Besinnung auf das Wesentliche

Hildesheim (bph) Kirche kann nach Ansicht des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle von der modernen Kunst einiges lernen: Nicht die ständige Wiederholung bekannter Sprachmuster, sondern die Wiederbesinnung auf das Wesentliche, der Hinweis auf die „Leerstelle dazwischen“ sei gefordert, sagte Trelle am Sonntagabend bei der Eröffnung des diesjährigen „Aschermittwoch der Künstler 2007“ mit Ben Willikens’ „Das Abendmahl“ im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim.

In drei auf sechs Metern hat Ben Willikens in den Jahren 1976 bis 1979 ein Meisterwerk der Kunstadaptation geschaffen. „Das Abendmahl“ lehnt sich an das gleichnamige Gemälde von Leonardo da Vinci in Mailand an. Ben Willikens hat das Vorbild jedoch radikal umgedeutet. Nach einer Fülle von Skizzen und Vorzeichnungen entwickelte der Künstler ein eigenes monumentales Abendmahlsbild. Dabei verzichtete Willikens auf alle Personen und Requisiten auf dem Bild. In einem leeren Raum ist nur der Tisch mit einem weißen Tuch zu sehen. Dort, wo bei Leonardo Christus am Abendmahlstisch die Szene beherrscht, lässt Willikens Licht aus dem Hintergrund in den leeren Raum scheinen und führt den modernen Betrachter zurück zur Botschaft des Evangeliums.

Eine Wohltat in den Augen des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle. „Gerade in dieser totalen Verweigerung einer auf das Kunst-Schöne gerichteten Sicht stößt Willikens wieder zum Kern der Sache vor“, sagte Trelle mit Bezug auf „unerträglich kitschige Nachäffungen von Leonardos Wandbild“ aus den Devotionalien-Geschäften. Mit dem Verzicht auf die Gestalt Jesu lenke Willikens den Blick auf das hell erleuchtete Portal, akzentuiere damit die Leerstelle und eröffne eine spirituelle Dimension, „die das abweisende Ambiente des Raumes auf den ersten Blick kaum vermuten ließ.“ Dieser Hinweis auf die „Leerstelle dazwischen“ kann nach Trelles Überzeugung „die unveränderlichen Inhalte des Glaubens neu ins Spiel bringen.“ Das sei eine Aufgabe, der sich auch die Kirche in unserer immer komplexer werdenden Welt zunehmend stellen müsse. Trelle zeigte sich sicher, „dass die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann.“

Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde der „Aschermittwoch der Künstler“ wieder im Roemer- und Pelizaeus-Museum eröffnet. Dr. Katja Lembke, Leitende Direktorin des Museums, zeigte sich in ihrem Grußwort darüber sehr erfreut und offen für eine weitere Zusammenarbeit.

Ben Willikens wurde 1939 in Leipzig geboren und studierte Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 1982 übernahm er eine Professur für Malerei und Graphik an der Hochschule der bildenden Künste Braunschweig und wechselte 1991 in gleicher Position an die Akademie der Bildenden Künste München. Von 1999 bis 2004 war er deren Rektor. Ben Willikens erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1970 den Villa-Romano-Preis Florenz und 1972 den Villa-Massimo-Preis Rom. 1983 wurde ihm der Hans-Molfenter-Preis, Stuttgart, verliehen. Ben Willikens lebt in München und Stuttgart.

Information:
Aschermittwoch der Künstler 2007: Ben Willikens „Das Abendmahl“,
Roemer- und Pelizaeus-Museum, Am Steine 1-2, 31134 Hildesheim
12. Februar bis 15. April 2007, täglich 10 bis 18 Uhr

Die Eröffnungsrede von Bischof Norbert Trelle im Volltext

Fotos von der Eröffnung