Kirchenasyl als "ultima ratio"
Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht Handreichung
Im Zuge des vielfältigen kirchlichen Engagements für Flüchtlinge durch Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften ist die Gewährung von Kirchenasyl ein wichtiges Thema. Die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz hat deshalb eine „Handreichung zu aktuellen Fragen des Kirchenasyls“ vorgelegt. In seinem Geleitwort erinnert der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle, an die alte christliche Tradition, Zuflucht beim Herrn zu suchen.
Nach einem kurzen einführenden Teil, der neben grundsätzlichen Erwägungen auch eine Zusammenfassung der aktuellen öffentlichen Debatte über das Kirchenasyl enthält, stellt die Handreichung die Grundzüge des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS) sowie seine Auswirkungen auf die Situation in Deutschland dar. Ein dritter und abschließender Teil liefert den Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften wichtige Hinweise für die Praxis, vor allem mit Blick auf die notwendigen Entscheidungs- und Kommunikationswege.
Über die Gewährung eines Kirchenasyls kann stets nur vor Ort entschieden werden. Eine Kirchengemeinde oder Ordensgemeinschaft muss nach bestem Wissen und Gewissen prüfen, ob ein Kirchenasyl im konkreten Einzelfall tatsächlich das letzte Mittel zur Abwendung humanitärer Härten ist. Für diese oft schwierige Abwägung stellt die Handreichung wertvolle orientierende Anhaltspunkte zur Verfügung.
Anlässlich der Veröffentlichung erklärt Bischof Norbert Trelle: „Die Tradition des Kirchenasyls muss weiterhin bestehen bleiben. Damit dies gelingen kann, wollen die deutschen Bischöfe für einen sorgfältigen Umgang mit dem Kirchenasyl sensibilisieren. Das Kirchenasyl kann immer nur ‚ultima ratio‘ zur Verhinderung drohender Menschenrechtsverletzungen sein. Es beansprucht kein Sonderrecht gegenüber dem Staat, sondern bietet die Gelegenheit, mit den für eine Entscheidung zuständigen staatlichen Stellen in Dialog zu treten, die rechtliche Lage noch einmal genau zu prüfen und neue Aspekte vorzutragen, die in einem konkreten Fall bisher nicht berücksichtigt wurden. In der Mehrheit aller Fälle ist es möglich, im Einvernehmen mit den Behörden rechtlich tragfähige und humanitär verantwortbare Lösungen zu finden. Dies dient dem in unserer Verfassung verankerten obersten Ziel der Rechtsordnung: dem Schutz der Menschenwürde.“
Der Publikation der Handreichung ging eine kontroverse öffentliche Debatte über die prinzipielle Zulässigkeit von Kirchenasyl voran. In diesem Zusammenhang kam es im Februar 2015 zu einer Vereinbarung zwischen der evangelischen und katholischen Kirche und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Während die Kirchen betonten, dass sie sich mit dem Kirchenasyl keineswegs über staatliches Recht hinwegsetzen wollen, sicherte das Bundesamt seinerseits zu, die Tradition des Kirchenasyls nicht grundsätzlich infrage zu stellen. Im Rahmen des Kirchenasyls soll es auch weiterhin möglich sein, den Behörden Einzelfälle zur nochmaligen Überprüfung vorzulegen. Zu diesem Zweck wurde zwischen den Kirchen und dem BAMF eine neue Kommunikationsstruktur vereinbart.
Aktuell sind bundesweit 293 Fälle (mit 454 betroffenen Personen) bekannt, in denen Kirchengemeinden oder Ordensgemeinschaften von Zurück- oder Abschiebung Bedrohte vorübergehend in kirchlichen Räumen aufgenommen haben. Dies markiert einen deutlichen Zuwachs im Vergleich zum August 2014, als die Statistik der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ 135 Fälle (mit 244 betroffenen Personen) ausgewiesen hatte. Zieht man allerdings in Betracht, dass die Zahl der Flüchtlinge insgesamt angestiegen ist und die Bundesregierung für 2015 mittlerweile mit bis zu 800.000 Asylverfahren rechnet, bewegt sich die Zahl der Kirchenasylfälle weiterhin auf einem niedrigen Niveau.
Die „Handreichung zu aktuellen Fragen des Kirchenasyls“ der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz finden Sie als pdf-Datei zum Herunterladen unter www.dbk.de in der Rubrik „Veröffentlichungen“. Dort kann die Handreichung auch als Broschüre (Die deutschen Bischöfe, Migrationskommission, Nr. 42, Bonn 2015) bestellt werden.