Keine Einheit ohne Vielfalt
Regionalbischof Siegfried Kasparick sprach auf dem 28. Ökumenischen Studientag zum Reformationsjubiläum 2017
"2017 ist der Testfall, wie wir Einheit verstehen und wie viel Vielfalt wir ertragen", sagte Regionalbischof Siegfried Kasparick am Donnerstagnachmittag auf dem diesjährigen Ökumenischen Studientag des Bistums Hildesheims auf dem Mühlenberg in Hannover. Der ehemalige Propst von Wittenberg ist seit Mai 2012 mit der Vorbereitung des Reformationsjubiläums beauftragt und sprach zum Thema „Wie viel Chancen hat ein ökumenisches Reformationsgedächtnis?“
„Die Öffentlichkeit erwartet 2017 zurecht Zeichen der Einheit“, betonte der 57-Jährige in seinem Vortrag. Die Trennung dürfe nicht als Normalzustand betrachtet werden und die Annäherung bedürfe keiner Begründung, sondern: „Für die Trennung müssen wir Rechenschaft abgeben.“ Die Vielfalt habe den Glauben von Anfang an geprägt und Spaltungen können nicht auf das 16. oder 17. Jahrhundert beschränkt werden. So führte das Konzil von Chalcedon 451 in der Folge zur Trennung von Reichskirche und altorientalischen Kirchen (dazu zählen die Kopten in Ägypten), Ost- und Westkirche trennten sich im 11. Jahrhundert. Der Regionalbischof: „Unterschiedliche Traditionen und Kulturen sind unverzichtbar für die Konkretion des Glaubens.“
„Wir legen entweder gemeinsam Zeugnis für Gott ab oder getrennt, daran werden wir gemessen“, unterstützte Prof. Dr. Thomas Söding von der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats zum Reformationsjubiläum, im Podiumsgespräch den Regionalbischof. Allerdings sei die Voraussetzung für echte Ökumene, dass man vorher ins Gespräch komme: „Was haben wir aneinander und was haben wir einander angetan?“ Insbesondere vor Ort sollten Katholiken und Protestanden über die Ereignisse der älteren und jüngeren Geschichte nachdenken, unterstützte Kasparick das Anliegen und machte Vorschläge: „Was ist bei der Zerstörung Magdeburgs im 30-jährigen Krieg geschehen? Wie erging es den katholischen Vertriebenen in der evangelisch geprägten neuen Heimat?“ Ökumene dürfe keine „Friede, Freude, Eierkuchen-Diskussion“ sein, ergänzte Söding.
„Wir befinden uns im Jahrhundert der Ökumene und hinter das Erreichte wollen wir nicht mehr zurück“, bewertete Kasparick den Ist-Zustand. Allerdings werden in einer ungeduldigen Öffentlichkeit die kleinen Schritte zu wenig wahrgenommen. „Entwicklungen brauchen Zeit, die deutsche Diskussion ist oft einfältig“, ärgerte sich der Regionalbischof. „Uns verbindet mehr, als uns trennt“. 2017 sei in dieser Hinsicht kein Ziel, sondern ein Impuls, weiter vorwärts zu kommen. „Wittenberg und Rom sind wichtige Städte, aber unsere Wurzeln finden wir in Jerusalem“, betonte Söding das gemeinsame Erbe der beiden Konfessionen.
Wichtiger als die Herausstellung der Unterschiede sei die Beantwortung der Frage, wieso Menschen überhaupt mit einem Gott zu rechnen haben, wieso Glaube helfen kann und wozu Kirchen gut sind. „In Ostdeutschland gibt es Menschen, die oft schon in der dritten Generation nichts mehr über Glauben und Christentum wissen“, sagte der in Wittenberg wirkende Reformationsbeauftragte. Unterschiede zwischen den institutionellen Kirchen seien selbst Kirchenmitgliedern oft fremd.
Ein Beispiel für wegweisende Projekte ist das neue ökumenische Andachtsbuch „Einfach gemeinsam feiern“, welches seit wenigen Tagen gedruckt vorliegt. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und das Bistum Hildesheim haben es produziert, um Laien in die Lage zu versetzen, ohne weitere Vorbereitung miteinander ökumenische Andachten feiern zu können. Jeder Teilnehmer des Studientages erhielt am Ende ein Buch mit auf den Weg.
Der Vortrag von Regionalbischof Siegfried Kasparick in kompletter Länge (pdf, 613 KB)