Herausforderungen und Chancen der Einwanderung
Tagung über Religion, Flüchtlingshilfe und Integration fand im St. Jakobushaus in Goslar statt
Flucht, Religion, Integration – darüber sprachen ausgewiesene Fachleute während einer Tagung im St. Jakobushaus in Goslar.
Während der Tagung „Flucht, Religion und Integration – Interreligiöse Impulse“, die am vergangenen Wochenende im St. Jakobushaus in Goslar stattfand, diskutierten etwa vierzig Teilnehmende und ausgewiesene Referenten aus Theologie, Religionswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Islamwissenschaft und Sozialwissenschaft: Welche Rolle spielt Religion bei der Flucht, bei der Flüchtlingshilfe und bei der Integration? Hat Deutschland eine besondere Verantwortung, christliche Geflüchtete zu schützen? Wird Deutschland tatsächlich islamischer?
Teilnehmende und Referenten diskutierten angeregt und konstruktiv über die Herausforderungen und Chancen der Fluchteinwanderung nach Deutschland. Ein wichtiges Fazit der Tagung war: Religiöse Praxis und Religion im Alltag sollten mehr erforscht werden. Dabei bedarf es der Überzeugung, dass religiöse Vielfalt der deutschen Gesellschaft gut tut. Die Tagung unter der Leitung von Dr. Theresa Beilschmidt begann mit Grußworten von Regine Körner, Erste Kreisrätin des Landkreises Goslar, und Friedrich-Wilhelm Busse von der Dr. Buhmann Stiftung für interreligiöse Verständigung aus Hannover, die die Tagung finanziell unterstützte.
Anschließend zeigte Pater Frido Pflüger SJ vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst unter dem Titel „Flucht und Vertreibung – Beobachtungen aus Nahost, Afrika und Deutschland“: Religion ist nur einer unter vielen Fluchtgründen, aber einer, mit dem viel Hass geschürt und Politik gemacht wird.
Bei der öffentlichen Podiumsdiskussion zum Thema Frage „Welche Rolle spielt Religion bei der Flüchtlings- und Integrationshilfe?“ stießen am Samstagabend noch zahlreiche Goslarer Bürger zur Tagung hinzu. Die Vertreter der Flüchtlingshilfe Goslars waren alle der Meinung, dass es wichtig sei, sich zunächst der Grundversorgung der Geflüchteten anzunehmen. Religion habe bei der Flüchtlingshilfe nur eine untergeordnete Bedeutung.
Eine sichtbare und aktive Präsenz der Kirche forderte am Sonntagvormittag Dr. Hans-Jürgen Marcus, Direktor des Diözesancaritasverbandes in Hildesheim, in seinem Vortrag „Flüchtlinge bewegen – Die Kirche und ihre Caritas“. Kirche sei dort, wo willkommen geheißen wird. Sie werde dann glaubwürdig, wenn sie Fremden Schutz gewährt. Deshalb auch die These von Marcus: Flüchtlinge retten die Kirche.
Dass die aktuelle Fluchteinwanderung auch ein Thema und eine Herausforderung für die Moscheegemeinden in Deutschland ist, zeigte Professorin Riem Spielhaus vom Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Braunschweig und der Georg-August-Universität Göttingen in ihrem Vortrag „Moscheen als Akteure der Flüchtlingshilfe“. An dem Beispiel verschiedener Moscheegemeinden in Hamburg und Berlin wurden Möglichkeiten deutlich, durch die Hilfe von Muslimen für Muslimen einen Beitrag zur Binnenintegration unter Muslimen zu leisten.
Micha Brumlik, ehemals Professor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und jetzt Senior Advisor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg zeigte in seinem Vortrag „Exodus und Flucht – Biblische und historische Motive jüdischer Erfahrung“ anhand der Bedeutung von Flucht in der jüdischen Religion und Tradition, wie das Flüchtlingsnarrativ Teil des jüdischen Glaubens wurde. Und er machte mit Zitaten von Hannah Arendt auf die Scham und den Schmerz aufmerksam, den die Fluchterfahrung Menschen zufügt.
Schließlich zeigte der Vortrag von Alexander-Kenneth Nagel, Professor für Religionssoziologie an der Georg-August-Universität Göttingen, unter dem Titel „Flucht, Migration und religiöse Pluralisierung in Deutschland“, dass in den vergangenen Jahren zwar mehr Menschen muslimischer Religionszugehörigkeit eingewandert sind, dass dies aber noch keine Islamisierung Deutschlands bedeute.
Als Fazit der Tagung hielt Dr. Theresa Beilschmidt fest: „Ein realistischer Blick auf die Fakten ist für ein friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft der Vielfalt konstruktiver als Polarisierung und Populismus. Daran sollte gemeinsam gearbeitet werden – interreligiös, aber auch intrareligiös.“
Text: Dr. Theresa Beilschmidt; weitere Bilder finden sich hier.