Harmonie statt Kampf
Dr. Sascha Hinkel beleuchtete interessante Seiten von Adolf Kardinal Bertram
Hildesheim (bph) „Ich habe immer nur das Beste gewollt“, soll Adolf Kardinal Bertram einmal zu einem seiner wenigen Vertrauten gesagt haben. Ob der ehemalige Hildesheimer Bischof und Breslauer Fürstbischof aber während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus auch tatsächlich das Beste erreicht hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Historiker Dr. Sascha Hinkel aus Münster hat nun am Dienstag beim „Verein für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim“ vor allem die Hildesheimer Jahre Bertrams beleuchtet, die so manche Entscheidung des Bischofs erklären könnten. Der Vortrag wurde gemeinsam mit dem Bischöflichen Gymnasium Josephinum durchgeführt, dessen Schüler Bertram einst war.
Die Vorbehalte gegen Bertram, der von 1906 bis 1914 auf dem Hildesheimer Bischofsstuhl saß und danach bis zum Kriegsende Fürstbischof von Breslau war, sind bekannt: Er sei zu nachgiebig gegenüber den Nationalsozialisten gewesen und habe sich als einer der wichtigsten und mächtigsten deutschen Bischöfe nicht entschieden genug positioniert.
Diese Sicht ist zu einfach, wie Hinkel bei seinem Vortrag vor mehr als 50 Besuchern im Remter des Gymnasiums darlegte. Um das Handeln Bertrams während des Dritten Reiches verstehen zu können, muss man die Lebensgeschichte dieses Mannes studieren, der bei der Machtergreifung Hitlers immerhin schon 74 Jahre alt war. Hinkel, der kürzlich eine Untersuchung über das Wirken des Bischofs im Kaiserreich und in der Weimarer Republik abgeschlossen hat, zeichnete das Bild eines hoch intelligenten, aber sozial eher schwach begabten jungen Mannes, der in der Schule durch Bestleistungen glänzte, aber keine Freunde und auch im späteren Leben so gut wie keine Vertrauten hatte. Zudem litt Bertram an einem Sprachfehler, der ihn als Gemeindepfarrer behindert hätte.
So machte Adolf Bertram nach seinem Theologiestudium im Hildesheimer Generalvikariat Karriere und wurde durch seinen Fleiß und sein Organisationstalent bald unentbehrlich. Als er schließlich Bischof war, zeigte sich seine Neigung, ein gutes Verhältnis zu den staatlichen Gewalten aufzubauen. Bertrams „Harmoniemodell“ war religiös begründet. Es solle „ein einträchtiges Band zwischen kirchlicher und staatlicher Autorität herrschen“ hat er einmal gesagt. Bei beiden Gewalten, der kirchlichen wie der staatlichen, sah er göttliche Vorsehung walten. Dieses Verständnis ging davon aus, dass sich Staat und Kirche gegenseitig respektieren sollten. Dabei spielte die Staatsform keine Rolle.
Gute Erfolge konnte Bertram damit im Herzogtum Braunschweig verzeichnen, wo Katholiken damals einen schweren Stand hatten. Der Bischof suchte den Kontakt zu den Herzögen und konnte so manche Verbesserung für die Gläubigen aushandeln. Hinzu kommt offenbar ein ausgeprägter Sinn für Pragmatismus. Prinzipientreue war dem Bischof nicht alles. Man müsse auch sehen, was eigentlich erreichbar sei, sagte er bereits 1919, als das Dritte Reich noch in weiter Ferne war. Bertram war also zu Kompromissen in politischen Fragen bereit. Ob dies zwei Jahrzehnte später unter den Bedingungen einer Diktatur noch immer gelten durfte ist wohl eher einer Glaubensfrage, die auch Hinkel nicht beantwortete.