(H)Eiliger Geist mit 23,4 Milliarden km/h
Das ZDF übertrug den Pfingstgottesdienst aus dem Hildesheimer Dom
Hildesheim (bph) Mehr als 130.000 Kilometer in weniger als einer Sekunde – die Pfingstbotschaft hatte es am Sonntag eilig, zu den Menschen zu kommen. Das „Zweite Deutsche Fernsehen“ übertrug um 9.30 Uhr die Messe aus dem Hildesheimer Dom live in die Wohnzimmer der Menschen. Dabei legten Bild- und Tonsignal einen langen Weg zurück. Der Gottesdienst unter dem Motto: "...und das Antlitz der Erde wird neu" war zugleich Abschlussgottesdienst der Pfingstaktion des katholischen Hilfswerks „Renovabis“.
Der Segen des Heiligen Bernward ruhte auf dieser Live-Übertragung. Was konnte da noch schief gehen? Direkt vor dem Bistumsheiligen, dessen Statue auf dem Domhof überlebensgroß die Hand zum Segen erhebt, hatte sich der Übertragungswagen des ZDF platziert. Von diesem „SNG“ (Satellite News Gathering) schickten die Techniker des Mainzer Senders Bild und Ton ins All, wo in rund 33.000 Kilometern Höhe ein Satellit die Signale auffing und zur Sendezentrale an den Rhein spiegelte. Von dort wurden sie sofort zu einem weiteren Satelliten geschickt, der Bild und Ton dann schließlich weltweit an alle Fernsehgeräte verteilte, die das ZDF empfangen können. Zwei Mal ins All und zurück – das alles verzögerte die Übertragung um lediglich 20 Millisekunden!
Doch zunächst mussten Bild und Ton im Dom überhaupt erst eingefangen werden. Ein Team von 25 „Mainzelmännchen“ – Techniker, Beleuchter, Kameraleute und Redakteure – hatten die einstündige Live-Sendung auf die Sekunde genau durchgeplant. Exakt 45 Sekunden durfte laut Drehbuch die erste Lesung dauern. Für den Antwortgesang waren eine Minute und 45 Sekunden eingeplant. Vier Kameras fingen das Geschehen am Altar und auf der Orgelempore ein, wo der Hildesheimer Domchor unter der Leitung von Dommusikdirektor Thomas Viezens zum Orgelspiel von Domkantor Stefan Mahr sang. Das Musikensemble Tuto aus Litauen brachte volkstümliche Klänge in den Gottesdienst.
Im Altarraum war Bischof Norbert Trelle der Hauptdarsteller. Weihbischof Bogdan Djurakh von der griechisch-katholischen Kirche und Weihbischof Stanislav Szyrokoradiuk von der römisch-katholischen Kirche der Ukraine hatten Nebenrollen, ebenso der emeritierte Bischof von Hildesheim, Dr. Josef Homeyer, sowie Pater Dietger Demuth CSsR, Hauptgeschäftsführer von Renovabis und Pfarrer Pater Wojciech Kordas OFM aus Buchara in Usbekistan. Der ukrainische Weihbischof Szyrokoradiuk erinnerte in seiner Predigt an 70 Jahre eines „streitbaren Atheismus“, dem in seiner Heimat Millionen von Menschen zum Opfer gefallen waren. Doch auch nach dem Ende des Kommunismus sei die Not nicht geringer geworden. „Wir wussten nicht, was wir mit all den Ruinen anfangen sollten, in denen die Katholische Kirche lag,“ berichtete der Weihbischof. Er ist überzeugt davon, dass der Heilige Geist die deutschen Bischöfe 1993 inspirierte, „Renovabis“ zu gründen. Dank der Solidarität der deutschen Katholiken habe „die wahre Erneuerung in unserem Land und in anderen postsowjetischen Staaten“ begonnen, freute sich Szyrokoradiuk.
Nahezu auf die Sekunde genau nach einer Stunde war die Übertragung beendet, konnte die ZDF-Technik zur nächsten Sendung umschalten. Zufriedenheit bei ZDF-Produktionsleiterin Carolin Klapproth, die sich mit ihrer Mannschaft gleich an den Abbau von Kameras, Lampen und Bühne machte. „Die Zusammenarbeit hat gut geklappt und die Vorbereitungen liefen sehr entspannt,“ lobte sie. Mit ihren vier LKW machten sich die Mainzer noch am gleichen Tag auf den Rückweg.
Beeindruckt von diesem Gottesdienst zeigte sich auch Ministerpräsident Christian Wulff. Gemeinsam mit anderen Politikern war er im Dom dabei. „Da weiß ich wieder, warum ich meine GEZ-Gebühren zahle,“ sagte er unter dem Gelächter der Gäste bei einem Empfang nach der Fernsehübertragung. Für die Kirche und das Hilfswerk Renovabis sei diese Übertragung eine großartige Werbung gewesen. Er hoffe sehr, dass die Kirchen und die Staaten in Osteuropa zu einem guten Miteinander finden werden, denn: „Die Kirchen leisten einen wichtigen Beitrag für ein gutes Zusammenleben der Menschen.“ Im Namen von Renovabis dankte Hauptgeschäftsführer Pater Dietger Demuth CSsR anschließend allen Beteiligten für ihren Einsatz in den vergangenen Tagen beim Abschluss der Renovabis-Pfingstaktion 2008.
Für fünf Damen und Herren war die Arbeit damit aber noch nicht getan. Bis 19 Uhr saßen sie im Bischöflichen Generalvikariat am Zuhörertelefon. Es seien aber relativ wenige Anrufe eingegangen, sagte Andreas Brauns als Fernsehbeauftragter des Bistums. Und wenn, dann waren die Reaktionen fast ausschließlich positiv. Vielleicht lag es am wunderschönen Pfingstwetter.
Das katholische Hilfswerk „Renovabis“ wurde im März 1993 von der Deutschen Bischofskonferenz auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken als „Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa“ ins Leben gerufen. Renovabis unterstützt seine Partner bei der pastoralen, sozialen und gesellschaftlichen Erneuerung der ehemals kommunistischen Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas.
„alt. arm. allein?“ war das Thema der diesjährigen Pfingstaktion. Damit nahm Renovabis die Situation alter Menschen im Osten Europas in den Blick, die oft zu den Verlierern des Zeitenwandels gehören. Gemeinsam mit seinen Partnern vor Ort unterstützt Renovabis Maßnahmen des betreuten Wohnens oder Projekte der häuslichen Krankenpflege, den Bau und Betrieb von Alten- und Pflegeheimen sowie von Sterbehospizen. Dazu bat Renovabis an Pfingsten um die Spenden der Gläubigen.
Das ZDF überträgt jeden Sonntag einen Gottesdienst, abwechselnd aus einer katholischen und evangelischen Kirche. Die Zuschauerzahlen liegen meist zwischen 800.000 und einer Million, an Feiertagen bis zu 1,3 Millionen. Das entspricht einem durchschnittlichen Marktanteil von 13 Prozent. Seit 1974 war das Bistum Hildesheim 16mal mit einem Gottesdienst vertreten, zuletzt im November 2007 mit einem Gottesdienst aus St. Martin in Hannover. Auch der Weihnachtsgottesdienst 2005 wurde aus dem Hildesheimer Dom übertragen.