Geschichte unter Putz
Bei der Sanierung des Generalvikariats zeigen sich Reste eines alten Doms und Bischofspalasts
Hildesheim (bph) Die Akten des Bistums Hildesheim lügen nicht: Das Gebäude des Bischöflichen Generalvikariats steht tatsächlich auf den Mauern eines Doms aus dem 11. Jahrhundert! Nachdem wegen dringender Sanierungsarbeiten der Außenputz des Gebäudes abgeschlagen wurde, zeigen sich jetzt für wenige Tage die Bauspuren eines ganzen Jahrtausends. Die Mauern des historischen Doms sind bis zu einer Höhe von acht Metern deutlich sichtbar und ungewöhnlich gut erhalten.
Bischof Azelin wollte zwischen 1046 und 1054 einen neuen Dom bauen, der weiter westlich stehen sollte als der heutige Mariendom. Mit seinem Westquerhaus kam er immerhin bis zu einer Höhe von acht Metern. Der Dom wurde zwar nie vollendet, aber auch nicht mehr abgebrochen. Aus Urkunden und früheren Bauuntersuchungen weiß man, dass Azelins Nachfolger, Bischof Hezilo, zwischen 1054 und 1079 seinen Amtssitz auf den Fundamenten und Kellermauern des unvollendeten Azelindoms gebaut hat. Dazu nutzte er das Westquerhaus und das Westchorquadrat, schloss aber die Öffnungen zu den Seitenschiffen und den Vierungsbogen zum Mittelschiff.
Dieser Amtssitz, den Bischof Hezilo vor rund 950 Jahren baute, ist im Kern das heutige Bischöfliche Generalvikariat am Domhof. Natürlich wurde das Gebäude im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut. 1930 brach man das historische Westchorquadrat ab und baute den Westflügel des Generalvikariats völlig neu auf. Zuletzt hat man das Gebäude in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts nach den Kriegszerstörung mit Ziegeln wieder aufgebaut und verputzt. Das über 950 Jahre alte Mauerwerk Bischof Azelins hat die Jahrhunderte jedoch offenbar gut überstanden. Man kann es an den riesigen Sandsteinquadern mit millimeterdicker Kalkfuge auf Anhieb gut von dem etwas gröber ausgeführten Mauerwerk Bischof Hezilos und den späteren Umbauten bis zum Wiederaufbau unterscheiden.
Diözesankonservator Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse hat zwar vermutet, dass sich unter dem Putz noch ältere Mauerreste finden lassen müssten, war jedoch erstaunt, dass sich das Querschiff des Azelindoms und der Hezilobischofspalast bis in acht Meter Höhe erhalten hat.
In der nächsten Woche wird die gesamte historische Fassade steingerecht vermessen um die verschiedenen Bauten auf dem Papier wissenschaftlich rekonstruieren zu können, bevor alle Befunde für ein bis zwei Generationen wieder unter dem Putz verschwinden.
Grund für die Sanierungsarbeiten am Bischöflichen Generalvikariat ist, dass die Mauern feucht wurden und mit Salz belastet sind. Daher hat Norbert Kesseler, Leiter der Immobilienabteilung im Bistum Hildesheim, die verschiedenen alten Mauermörtel und Putzoberflächen analysieren lassen. Ergebnis: Die Schäden am Putz sind zum Teil auf die ungewöhnliche Verwendung von Gips im Mörtel zurückzuführen. Offenbar ist der Putz mit Zement durchsetzt. Aus diesem Grunde muss der gesamte neuzeitliche Putz vollständig abgeschlagen und durch einen modifizierten Luftkalkputz ersetzt werden. Außerdem ist die Wärmedämmung des um 1950 wieder aufgebauten und ausgebauten Dachgeschossen völlig unzureichend. Daher wird gleichzeitig das Dach neu gedeckt.