Geschichte unter Gras
Bei Grabungen auf dem Hildesheimer Domhof wurden mittelalterliche Gräber gefunden
Hildesheim (bph) Bei Grabungen auf dem Rasen des Hildesheimer Domhofs haben Diözesankonservator Prof. Dr.-Ing. Karl Bernhard Kruse und sein Grabungsteam Gräber in Ost-West-Ausrichtung mit relativ gut erhaltenen Knochen und Schädeln gefunden. Sie stammen vermutlich aus dem 14. bis 15. Jahrhundert.
Das Bistum Hildesheim und damit auch die Stadt Hildesheim wurden im Jahre 815 von Ludwig dem Frommen gegründet. Wo und wie die einfachen Bewohner Hildesheims damals gelebt und gewohnt haben, ist bisher archäologisch nicht nachgewiesen, abgesehen von Funden unter dem Bischöflichen Generalvikariat. Vermutlich stand die karolingische Vorstadt für die Kaufleute, Handwerker und Bediensteten auf der Wiese unter den Linden nördlich des Domes und unter den Kuriengebäuden aus den fünfziger Jahren.
In den vergangenen Wochen hat die Abteilung Immobilien des Bistums Hildesheim unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Karl Bernhard Kruse, Diözesankonservator und Vertretungsprofessor für Baugeschichte an der TU Braunschweig, einen so genannten Probeschnitt auf dem Domhof angelegt. Unterstützt wurde Kruse von dem örtlichen Grabungsleiter Dr. Helmut Brandorff, einem freien Mittelalterarchäologen, und der Archäologie-AG des Gymnasiums Josephinum unter der Leitung des Geschichtslehrers Tosten Memmert. Auch Studenten des Fachbereiches Architektur der TU Braunschweig waren an den Grabungen beteiligt.
Vor Beginn der Grabungen haben Fachleute ein Georadarbild des Untergrundes erstellt, das bereits auf Mauern im Boden hindeutete. Mit Hilfe eines kleinen Baggers wurden dann die oben Erdschichten abgegraben. An den Seitenwänden der langgestreckten Grube ist die zeitliche Abfolge der aufgetragenen Erd- und Schuttschichten abzulesen. „Es zeigte sich, dass wir mehrer Bombentrichter aus dem Jahre 1945 angeschnitten haben, die mit Bau- und Brandschutt aufgefüllt worden sind“, erklärt Kruse. Außerdem haben die Profi- und Hobbyarchäologen auffallend viele Bruchstücke aus Dachschiefer gefunden, die vermutlich aus der Zeit des 30-jährigen Krieges stammen.
Völlig unerwartet wurden in den letzten Tagen der Grabung im gewachsenen Lehmboden Gräber in Ost-West-Ausrichtung mit relativ gut erhaltenen Knochen und Schädeln gefunden. Sie liegen relativ weit entfernt vom Dom fein säuberlich in Reih und Glied ohne Überschneidungen. Kruse hält die Hypothese für denkbar, dass es sich dabei um Tote aus der Schlacht von Dinklar aus dem Jahr 1367 handeln könnte. Nach dem Sieg gegen den Herzog von Braunschweig und seine Verbündeten konnte das Hochstift Hildesheim mit den erzielten Lösegeldsummen die Kuppel des Domes vergolden lassen. Die jetzt entdeckten Gräber könnten zu Gefallenen der Schlacht gehören, die damals als besondere Anerkennung in der Nähe des Domes begraben wurden. Dafür spricht auch, dass offenbar nur eine Grabschicht existiert und nicht, wie sonst auf mittelalterlichen Friedhöfen üblich, mehrere Lagen. Offensichtlich wurde hier nur eine begrenzte Anzahl von Toten zur Ruhe gebetet.
Das Besondere an dieser Grabung liegt darin, dass nicht nur professionelle Wissenschaftler das Projekt begleiten, sondern dass 25 Schülerinnen und Schüler des benachbarten Bischöflichen Gymnasiums Josephinum als "Archäologen" tätig sind. „Hier wird in der engen Zusammenarbeit der Instanzen Denkmalpflege und Schule ein neuer Lehr- und Lernweg beschritten“, sagt Memmert, der die Archäologie-AG ins Leben rief, welche sich aus Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen acht bis zwölf zusammensetzt. Die Arbeit hat sich auch finanziell gelohnt: Die Gruppe erhält von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz einen mit 3000 Euro dotierten Preis.