Geschichte und Geschichten
Prof. Dr. Christoph Markschies sprach beim Jahresempfang des Hildesheimer Bischofs
Hildesheim/Marienrode (bph) In fünf Jahren wird das Bistum Hildesheim 1.200 Jahre alt. Zu seinem Jahresempfang am Dienstag im Kloster Marienrode hatte Bischof Norbert Trelle daher mit Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies einen ausgewiesenen evangelischen Theologiehistoriker eingeladen. „Was bedeutet es, eine Geschichte zu haben?“ fragte Markschies, Präsident der Humboldt-Universität Berlin, in seinem kurzweiligen Vortrag, den er mit allerlei Geschichten würzte.
Die erste Geschichte handelt von einem jungen Protestanten, einem katholischen Gesangbuch und dem Vornamen eines Bischofs. Schon als Kind habe er gerne im katholischen „Gotteslob“ geblättert, bekannte Markschies vor den knapp 200 Gästen des Bischofs bei seinem Vortrag in der Klosterkirche. Das Vorwort hatte der damalige Bischof Heinrich Maria Janssen beigesteuert, und, wie üblich, nur mit seinem Vornamen unterschrieben. Weil er von diesem katholischen Bischof wusste, habe er den Vornamen richtig zuordnen können, erzählte Markschies und formulierte daraus die erste These seines Vortrages: Nur wer die Geschichte kennt, hat auch eine. Nur wer einen geschichtlichen Hintergrund hat, kann Geschehnisse richtig einordnen.
Geschichte als überfassendes Gedächtnis der Menschen wiederum wird aus zahlreichen individuellen Erinnerungen geformt, so die zweite These, die Markschies mit weiteren kleinen Rückverweisen auf seine Kindheit und Jugend würzte. Und schließlich: Geschichte ist nicht etwas Abgeschlossenes, sondern als Aufgabe zu verstehen: „Man darf nicht im Individuellen stecken bleiben sondern muss das Gemeinsame suchen!“ Als Beispiel nannte der Berliner Professor die Hildesheimer Michaeliskirche, die als evangelische Gemeindekirche mit katholischer Krypta in seinen Augen ein Musterbeispiel für gelebte Ökumene ist. Die Christen seien in den vergangenen zwei Jahrtausenden länger vereint als in Konfessionen getrennt gewesen, gab Markschies zu bedenken. Trotzdem stünde heute im Bewusstsein der Menschen oft das Trennende im Vordergrund, während man das Gemeinsame suchen müsse. Das sei eine geschichtliche Aufgabe, hinter der letztlich immer Gott stehe, gab Markschies den Gästen dann mit auf den Weg in den lauschigen Innenhof des Klosters, wo der Abend ausklang.
Prof. Dr. Christoph Markschies wurde 1962 in Berlin geboren und studierte in Marburg, Jerusalem, München und Tübingen evangelische Theologie, klassische Philologie und Philosophie. Seit 2006 ist Markschies Präsident der Humboldt-Universität Berlin, wo er Kirchen- und Theologiegeschichte des antiken Christentums lehrt. Im Jahre 2001 wurde ihm der Leibniz-Preis der DFG verliehen, 2001 die Ehrendoktorwürde der Fakultät für Orthodoxe Theologie in Sibiu/Hermannstadt.
Zum diesjährigen Jahresempfang, der erstmals im Innenhof des Klosters stattfand, konnte Bischof Norbert Trelle zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft begrüßen, darunter auch den niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring.