Für eine Kultur des Maßes
Früherer Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer fordert mehr Verantwortlichkeit
Hildesheim/Osnabrück (bph) In der aktuellen Finanzkrise sollte der Gesetzgeber die wirtschaftliche Freiheit des Menschen wieder deutlicher mit Verantwortlichkeiten verbinden, fordert der frühere Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer. Diesen Anspruch könne nur ein freiheitlicher und demokratischer Staat erfüllen, sagte Homeyer kürzlich bei der Landesvertreterversammlung des Niedersächsischen Richterbundes in Osnabrück.
Die gegenwärtige Krise ist in den Augen Homeyers eine dreifache: Sie betrifft die Märkte als Finanz- und Wirtschaftskrise, sie betrifft die Sozialsysteme und drittens die Umwelt. Darf die soziale Absicherung der Menschen in einem ausgebauten Sozialsystem nachfolgende Generationen entmündigen? Darf das Wachstum die natürlichen Grundlagen der Menschen zerstören? Natürlich nicht, so Homeyer in seinem Vortrag unter dem Titel „Gerechtigkeit und Verantwortung: aktuelle Herausforderungen“. Vielmehr müsse zu einer moralisch überzeugenden Lastenverteilung und zu einer „ökonomisch belastbaren Sozialethik“ gefunden werden.
Die aktuelle Krise hat nach Homeyers Ansicht gezeigt, dass die wirtschaftliche Freiheit der Menschen zunehmend von der Verantwortlichkeit abgekoppelt wurde. Beides sollte der Gesetzgeber wieder stärker aneinander binden. „Anleger müssen einschätzen können, ob sie ein Wertpapier erwerben oder sich an Spiel und Wette beteiligen“, so Homeyer wörtlich. Sie müssen auch wissen, ob mit ihrem Kapital „Wälder abgeholzt oder landwirtschaftliche Strukturen aufgebaut werden.“ Hier müsse der Gesetzgeber Transparenz erzwingen und Verantwortlichkeiten zuweisen, denn „persönliches Risiko lässt die Menschen vorsichtiger handeln, Schäden vermeiden.“ Daher biete die aktuelle Wirtschaftskrise auch eine einzigartige Chance: Die Besinnung auf eine Kultur des Maßes, die der Geldwirtschaft einen klaren rechtlichen Rahmen setzt. „Die Finanzkrise fordert einen kulturellen Aufbruch!“
Diesen Aufbruch kann nach Homeyers Überzeugung nur der freiheitliche und demokratische Rechtsstaat gestalten. In überstaatlichen, internationalen Vereinbarungen müsse die Herausforderung der Globalisierung gemeistert werden, denn eine Globalisierung, die nur auf die Selbstregulierung der Märkte vertraue, verliere das Maß. Die große Herausforderung von Gesellschaft und Politik sind nach Homeyers Worten weltweit handelnde Kapitalgesellschaften, deren ausschließliches Ziel die Gewinnmaximierung ist. Deren „Prinzip der Maßlosigkeit“ muss der Verfassungsstaat „eine Kultur des Maßes“ entgegenstellen, erwartet Homeyer.
Dr. Dr. h.c. Josef Homeyer (80) führte das Bistum Hildesheim als 69. Bischof von 1983 bis zu seiner Emeritierung 2004. In der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) engagierte er sich unter anderem als Vorsitzender in der „Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen (Kommission VI)“ und in der „Kommission Weltkirche (Kommission X)“. Über den deutschen Raum hinaus machte sich Homeyer einen Namen unter anderem als Präsident der „Kommission der Bischofskonferenzen der EU (ComECE)“. Der Bischof erhielt zahlreiche Orden und ist unter anderem Träger der Niedersächsischen Landesmedaille und Ehrenbürger der Stadt Hildesheim.