Forschen für eine bessere Welt
Prof. Dr. Gesine Schwan sprach beim 20. Geburtstag des „Forschungsinstitut für Philosophie Hannover“ (FIPH)
Hildesheim (bph) Religion ist nicht der Feind der Wissenschaft – im Gegenteil: Religion befreit Forschung von Selbstbezogenheit und Unfreiheit. Mit solchen mitunter provozierenden Thesen setzte Prof. Dr. Gesine Schwan aus Frankfurt (Oder) und Bundespräsidentin-Kandidatin ein Glanzlicht beim 20. Geburtstag des „Forschungsinstitut für Philosophie Hannover“ (FIPH), der am Freitagabend im Hildesheimer Dom mit zahlreichen Ehrengästen und Besuchern gefeiert wurde.
Der Abend hatte im Hildesheimer Dom mit einer festlichen Vesper begonnen. Im voll besetzten Gotteshaus beschrieb Prof. Schwan danach in ihrem Festvortrag „Wissenschaft und Religion. Brauchen sie einander?“ den Wissenschaftsbetrieb mit all seinen Nachteilen. Glaubt man Schwan, die als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina weiß, wovon sie spricht, dann wächst der Zwang auf die Wissenschaftler, ihre Forschung an wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten. Zugleich steige die Spezialisierung selbst innerhalb des gleichen Faches, so dass sich ein Wissenschaftler neben seinem Fachkollegen schon bald „wie ein Banause“ vorkommen müsse. Wer Karriere machen wolle, bewege sich zudem meist in den eigenen Wissenschaftlerkreisen, bedauerte die Viadrina-Präsidentin. Folge: Der Blick für das Große und Ganze geht verloren.
Hier setzt die Religion an, so – stark verkürzt – die These der erfahrenen Politikwissenschaftlerin: Indem Religion den Blick auf eine transzendente Wirklichkeit richtet, zwingt sie zu einem ganzheitlichen Blick auf das eigene Forschen und Tun. „Wer daran glaubt, dass unsere Welt von einem Schöpfer gut gewollt ist, der ist auch bereit, Verantwortung für sich selbst und für andere Menschen zu übernehmen“, so das Fazit der fast einstündigen, sehr dichten Rede Schwans. „Religion ist die Verpflichtung auf eine Ganzheitlichkeit der Welt.“
Zuvor hatten verschiedene Grußredner deutlich gemacht, wie angesehen und anerkannt das FIPH inzwischen ist. Von einem „wichtigen Impuls für das Bistum Hildesheim“ sprach etwa Bischof Norbert Trelle, während Prof. Dr. Ulrich Hemel, 1. Vorsitzender der Stiftung FIPH, die Philosophie als „vordergründig überflüssigste aber eigentlich notwendigste“ Wissenschaft überhaupt bezeichnete. Dr. Josef Lange, Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, überbrachte die Grüße der Landesregierung und Dr. Hermann Barth lobte als Präsident des Kirchenamtes der EKD den katholischen „think tank“ Hannovers. Keiner der Redner versäumte, dem emeritierten Bischof Dr. Josef Homeyer zu danken, der das Institut vor 20 Jahren gründete und – so Barth – mit seiner „Verlässlichkeit, Beharrlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit“ zum Erfolg führte.
Die Stiftung Forschungsinstitut für Philosophie Hannover (FIPH) wurde am 8. September 1988 von Bischof Homeyer errichtet, das Forschungsinstitut selbst am 23. September 1988 eröffnet. Im selben Jahr hat das Niedersächsische Kultusministerium das FIPH als gemeinnützige Kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts staatlich anerkannt. Geleitet wird das FIPH durch Direktor Prof. Dr. Gerhard Kruip und den stellvertretenden Direktor Dr. Christian Thies. Das Institut hat sich zum Ziel gesetzt, auf der Grundlage christlicher und katholischer Positionen zentrale Probleme der Welt zu bearbeiten. Ethischer Maßstab ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Die Mitarbeiter arbeiten wissenschaftlich und stellen sich in verschiedenen Veranstaltungen auch dem öffentlichen Diskurs. Dabei kooperieren sie mit Kollegen im In- und Ausland sowie mit Institutionen aus Wissenschaft, Politik, Erwachsenenbildung und Kirche.
Der 20. Geburtstag des FIPH wird zwei Tage lang gefeiert. Dem Festakt im Hildesheimer Dom am Freitagabend schließt sich am folgenden Samstag ein Symposium über „Das Böse“ in der Universität Hildesheim an. Dazu referieren unter anderem Karl Kardinal Lehmann aus Mainz und Prof. Dr. Ingolf U. Dalferth aus Zürich.