Europa als Zukunftsprojekt
Bischof em. Dr. Josef Homeyer setzt sich für Religionsfreiheit ein
Hildesheim/Trier (bph) Europa muss ein Ort der Trennung des Weltlichen und des Geistlichen bleiben, ein Ort der Religionsfreiheit. Dafür setzt sich der emeritierte Bischof von Hildesheim Dr. Josef Homeyer ein. Allerdings dürfe man dem Göttlichen und dem Menschlichen nicht getrennte Bereich zuweisen, sagte Homeyer am 19. September in seiner Rede „Christenheit und Europa – Zur Frage nach dem ‚Eigenen’, nach der Identität Europas“ in der Universität Trier. Homeyer sprach auf Einladung der Gesellschaft für Rechtspolitik und dem Institut für Rechtspolitik der Universität Trier.
Europa unterscheidet sich nach Homeyers Überzeugung von anderen Kulturkreisen durch die Art und Weise, wie dieser Kontinent sich im Laufe der Geschichte fremdes Gedankengut angeeignet hat. „Man löst sich nicht von der Vergangenheit, weist sie nicht zurück, sondern greift sie auf, verarbeitet sie und macht sie so zum Eigen“, sagte Homeyer, ehemaliger Präsident der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen (ComECE) in Trier. Ausgehend von dem zeitgenössischen französischen Philosophen Rémi Brague entwickelt Homeyer die Theorie, wonach Europa einen „römischen“ Charakter habe: Das römische Reich hatte einst das kulturell überlegene griechische Reich militärisch unterworfen. Anstatt die griechische Kultur auszulöschen, übernahmen die Römer „die Reichtümer des Griechentums“, machten sie zu ihrer eigenen Kultur und gaben sie weiter. Darin sehen Homeyer wie auch Brague das große Verdienst des römischen Reiches.
Ähnlich, so Homeyer weiter, verhält sich das Christentum zum Judentum. Auch wenn die Christen immer wieder der Versuchung erlegen seien, ihre Wurzeln im Alten Testament zu vergessen, so sei sich das Christentum letztlich doch seiner Verwandtschaft mit dem Judentum bewusst.
Anders im Islam. „Nach ihnen, den Muslimen, zeigt sich die Offenbarung in ihrer ganzen Reinheit nur im Koran“, so Homeyer. „Daraus folgt für den Islam, dass die Wahrheit des Judentums und des Christentums sich bei ihm und nur bei ihm befindet. Diese Wahrheit ist damit außerhalb der beiden ihm vorausgegangenen und sich selbst entfremdeten Religionen zu finden, nämlich nur im Koran“. Zugleich stellt Homeyer in seiner Rede klar, welchen unermesslichen Beitrag die Araber für Europa leisteten. Sie haben die griechische Hinterlassenschaft dem Abendland überliefert, „so dass das Abendland bei der arabischen Welt auf allen Gebieten in tiefer Schuld steht“, sagte Homeyer wörtlich.
Europa muss sich nach Homeyers Überzeugung vor zwei Gefahren schützen: Das Politische und Religiöse müsse unbedingt auseinander gehalten werden. Mindestens ebenso folgenschwer sei aber die „umgekehrte Versuchung“ eines Säkularismus, der dem Politischen und dem Göttlichen unvereinbare Bereiche zuweise. Letztlich steht Europa nach Homeyers Überzeugung vor der großen kulturellen Aufgabe, wieder „römisch“ zu werden, also neue Kulturen aufzunehmen und mit der eigenen in Verbindung zu bringen. Insofern bleibt Europa nach Ansicht des emeritierten Hildesheimer Bischofs ein „politisches Zukunftsprojekt.“