Einmaliges Zeugnis gotischer Baukunst
Bauarbeiten haben älteste Wand am Hildesheimer Domkreuzgang freigelegt
Hildesheim (bph) Bei Abbrucharbeiten für das neue Dom-Museum haben Bauarbeiter über der historischen Laurentiuskapelle ein rundes, gotisches Vierpassfenster freigelegt, das sich bis auf die Fensterverglasung erhalten hat. Es stammt vermutlich vom Beginn des 15. Jahrhunderts, als die Laurentiuskapelle um ein Joch nach Süden erweitert wurde. Dieser überraschende Fund zwingt die Architekten nun zum Umplanen des Dom-Museums. Ob das Fenster in Zukunft sichtbar sein wird, ist noch unklar.
Im Rahmen der Sanierung des Hildesheimer Doms wird in der ehemaligen Antoniuskapelle und dem angrenzenden Rittersaal über der Laurentiuskapelle das neue Dom- und Diözesanmuseum gebaut. Historischer Boden also, wie die Arbeiten immer wieder zeigen. Als die Trennmauer auf beiden Seiten von Vorsatzschalen aus Ziegeln und Gipsplatten befreit wurde, zeigte sich unter anderem, dass diese Trennmauer bis unter die Dachhaut und im nördlichen Bereich bis in die Zeit um 1100, vielleicht sogar in die Zeit vor den großen Dombrand von 1046 zurückreicht. Seit dem Einbau der Laurentiuskapelle am Ende des 11. Jahrhunderts steht diese Mauer bis zum Dachgiebel. Die rechteckigen Kleinquader sind mit engen Fugen vermauert, die an der Oberfläche breit abgestrichen und mit einem Fugenstrich angezeichnet sind. Zum Originalbestand gehört noch ein kleines rundbogiges Fenster, das gerade Fensterlaibungen zeigt. Selbst zwei runde Löcher, die von den Baugerüsten stammen, sind noch entdeckt worden. Die Eckquader zur Südwand sind ebenfalls erhalten. Dies bedeutet, dass über der gewölbten Laurentiuskapelle im Anschluss an die Sakristei ein hohes Obergeschoß mit einem steilen Dach gestanden hat.
Das nun neu entdeckte Vierpassfenster stammt aus der Zeit der Süderweiterung der Laurentiuskapelle Anfang des 15. Jahrhunderts. Damals wurde nicht nur die gewölbte Erweiterung im Erdgeschoss angebaut, sondern auch das Obergeschoss in der gesamten vorgegebenen Höhe neu errichtet. Das Rundfenster liegt recht tief in der Mauer und zeigt innen davor einen Absatz, so dass hier mit großer Sicherheit ein kleiner Altar gestanden haben wird, der sein Licht direkt von Osten erhielt. Zur gleichen Bauzeit ist wohl im benachbarten Kapitelhaus die Unterbodenheizung neu errichtet worden und in den Gesamtraum, der hoch und offen war, wurden durch Zwischendecken und Mauern kleinere beheizbare Kabinette eingefügt. „Wahrscheinlich war dem Domkapitel mit seinen Kaplänen der Raum im Kapitelhaus zu eng geworden, so dass sie jetzt in den viel größeren Rittersaal ausgewichen sind“, vermutet Diözesankonservator Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse. „Die kleinen Räume im Kapitelhaus waren jetzt gut beheizbar und für die Schreibarbeiten der Domkapitulare besser zu nutzen.“
Dieses gotische Rundbogenfenster brachte jedoch nur kurze Zeit Licht in den Rittersaal. Als in der Mitte des 15. Jahrhunderts auch die Antoniuskirche, beziehungsweise ihr schmalerer Vorgängerbau am südlichen Kreuzgang, erweitert wurde, musste das runde Fenster wieder vermauert werden, erklärt Diözesankonservator Kruse. Glücklicherweise habe man die Gewände und Maßwerke nicht zerschlagen, sondern von beiden Seiten vermauert, so dass dieses „einmalige Zeugnis der gotischen Baukunst am Hildesheimer Dom“ jetzt freigelegt werden konnte.