Eine heilige Pflicht
Walter Kardinal Kasper und Landesbischof Friedrich Weber sprachen über Ökumene
Hildesheim/Hannover (bph) Von wegen ökumenische Eiszeit: „Auch im Winter wächst die Saat“ sagte der frühere Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Walter Kardinal Kasper, am Montagnachmittag, 27. Juni, beim Ökumenischen Studientag des Bistums Hildesheim im Ökumenischen Kirchenzentrum auf dem Mühlenberg in Hannover und gab damit den Grundtenor des Tages vor. Mit dem evangelischen Landesbischof von Braunschweig, Prof. Dr. Friedrich Weber, saß ihm ein ebenbürtiger Partner gegenüber. Gemeinsam gestalteten sie einen höchst lehrreichen und stellenweise auch kurzweiligen Nachmittag, der unter dem Thema stand „Die Taufe – Ruf zur Einheit der Christen“.
Zur Ökumene, zur Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen gibt es keine Alternative, daran ließen beide Gesprächspartner keinen Zweifel. Sie sei nicht irgendeine Option unter anderen, kein Luxus sondern eine „heilige Pflicht“, stellte Kasper in seinem sehr dichten, aber gut nachvollziehbaren Vortrag klar. Und der oft geäußerten Frustration angesichts immer noch trennender Themen stellte der Bauernsohn die alte Erkenntnis entgegen, dass auch im Winter Pflänzchen wachsen, selbst wenn man dies nicht immer sofort sieht. Wie viel schon erreicht ist auf dem Weg zueinander, machte der Kardinal an einem kleinen, aber eindrucksvollen Beispiel deutlich: In seiner Jugend habe man ihn angehalten, vor einer evangelischen Kirche die Straßenseite zu wechseln.
Aus dem Jungen wurde ein Ökumenekardinal, der die immer noch nicht gelösten ökumenischen Probleme wohl sieht, aber nicht daran verzweifelt. Entscheidend beim Zusammenspiel der Konfessionen sind in seinen Augen ohnehin weniger papierne Dokumente, sondern menschliche Beziehungen. Wo früher totale Funkstille zwischen Katholiken und Protestanten geherrscht habe, rede man heute ganz selbstverständlich und auch vertrauensvoll miteinander. Dabei ist es nach Kaspers Überzeugung nötig, ein konfessionelles Profil zu haben, ohne sich auf Kosten des jeweils anderen zu profilieren.
Ansichten, denen der Braunschweigische Landesbischof – als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland ausgewiesener Kenner der Ökumene – gerne zustimmen mochte. Nach seinem Eindruck leben die Christen gar in einer ökumenisch „höchst produktiven Zeit“. Mit Blick auf die Lübecker Märtyrer, drei katholische Kapläne und ein evangelischer Pfarrer, die zwei Tage zuvor in Lübeck wegen ihres Widerstands gegen die Nationalsozialisten selig gesprochen beziehungsweise geehrt worden waren, bezeichnete Weber die Zugehörigkeit zu Christus als das umfassende Band der Konfessionen. „Je näher die einzelnen Kirchen bei Christus sind, desto näher sind sie beieinander.“ Doch auch er wandte sich klar gegen eine beliebige Vermischung unterschiedlicher Standpunkte, denn „ökumenisch kann nur sein, wer in einer Konfession verwurzelt ist.“
Im Jahre 2017 feiert die evangelische Kirche den 500. Jahrestag der Veröffentlichung von Luthers Thesen. Eine große Chance für die Ökumene, darin waren sich beide einig. Dieses Jubiläum werde die evangelische Kirche nicht heroisch und ausgrenzend feiern, versprach Weber und Kardinal Kasper wünschte sich für jenes Jahr ein gegenseitiges Schuldbekenntnis der Kirchen.