Ein Schilling ist jeden Euro wert

Der Architekt der Hildesheimer Domsanierung ist ein unideologischer Baumeister

Hildesheim (bph) Das Hildesheimer Domkapitel hat die Sanierung der Bischofskirche in die Hände des Kölner Architekten Prof. Johannes Schilling (54) gelegt. In der Stadt am Rhein ist Schilling ein gefragter Baumeister, hierzulande kennt man ihn kaum. Wer ist dieser Mann, dem die Hildesheimer Domkapitulare vertrauen? Ein Atelierbesuch in Köln bringt interessante Einblicke.

Hierher verirren sich keine Touristen: Ein Stück alter Stadtmauer, ein Trafohäuschen, Nachkriegswohnungen, Dutzendware. Daneben der „Klingelpützpark“, wo das ehemalige Kölner Stadtgefängnis stand. Eine Gedenktafel erinnert an die Willkürmorde der Nationalsozialisten, die hier vermutlich mehr als 1.000 politische Gefangene hinrichteten. Hier also, am Kölner Gereonswall, hat Prof. Schilling sein Büro. Und es ist leicht zu finden. Man suche einfach nach dem Fremdkörper inmitten der 50er-Jahre-Monotonie. Schwerer zu finden ist da schon der Eingang zu diesem bemerkenswerten Bau aus Glas und Beton: Schilling hat ihn in einer Aluminiumtür versteckt, die Klingel ist nach innen versenkt, der Name „Schilling Architekten“ unaufdringlich eingraviert – kleine Details, die den Unterschied zwischen Bauen und Architektur ausmachen. Auch der Hausherr empfängt erfrischend uneitel im grünen Polohemd, führt dann aber nicht ohne Stolz durch sein Büro, das ein Redakteur der Wochenzeitung „Zeit“ einmal so umschrieben hat: „Diesen Raum sieht man weniger, als dass man ihn fühlt“.

Man begreift schnell, was er meinte: Versenkte Lampen spenden indirektes Licht, falls die geschosshohen Fensterbänder einmal nicht genug Sonne durchlassen sollten. Die vier Geschosse sind zueinander versetzt und offen, so dass sich interessante Durch- und Überblicke ergeben. Eine Wendeltreppe aus Beton gewährleistet die vertikale Erschließung, indirekte Beleuchtung aus versteckten Nischen auch hier. Lediglich die Biertische auf der Loggia im vierten Stock wollen nicht so recht in dieses Ambiente passen und lassen schmunzeln.

Hier also entstanden die Entwürfe zur Sanierung des Hildesheimer Doms, die das Domkapitel im Jahr 2005 überzeugten. Damals setzte sich Schilling mit seinen Plänen gegen vier konkurrierende Architekturbüros durch. Schilling bezeichnet sich selbst als „Wettbewerbsarchitekt“, der einen großen Teil seiner Aufträge durch gewonnene Wettbewerbe erhält. Kirchen sind darunter wie der Hildesheimer Dom oder „Christi Geburt“ in Köln, aber auch Verwaltungsbauten und zahlreiche Schulen, zum Beispiel in Luxemburg oder die „Offene Ganztagsgrundschule Buschfeldstraße“ in Köln, für die Schilling 2008 den nordrhein-westfälischen „Schulbaupreis“ erhielt. Auch Wohnhäuser und stadtplanerische Aufgaben gehören zum Programm des Architekten, dessen Büro in Köln längst zu den renommierten und gefragten Adressen gehört. Schilling wurde inzwischen 15-mal ausgezeichnet, er selbst lehrt an der „münster school of architecture“ und gehört zum Beirat für Stadtgestaltung der Stadt Münster.

Ein großer Erfolg für einen Mann, der sich in keine architektonische Schublade stecken lässt und sich jeder Klassifizierung verweigert. „Die architektonische Lösung muss sich aus der Aufgabe ergeben“, lautet das einfache Credo des 54jährigen und meint damit nicht nur die städtebaulichen und finanziellen Voraussetzungen einer Bauaufgabe, sondern auch deren kommunikative und sozialen Aspekte. „Gut ist, wenn sich in unseren Bauten Teamarbeit ergibt“, sagt Schilling und verweist auf die Arbeitsplätze in seinem Büro: Hierarchien sind dort nicht erkennbar. Jeder Arbeitsplatz ist gleich ausgestattet, aber durch die abwechslungsreiche Architektur letztlich auch sehr individuell. Große Gesten sucht man vergeblich im Werk wie auch im Auftreten des Bürochefs. Die Formenverliebtheit der „Postmoderne“ mit ihren manchmal schrillen Architekturzitaten ist eben so wenig Schillings Stil wie die eitle Selbstdarstellung mancher seiner Starkollegen. Wie selbstverständlich weist der Architekturprofessor auf sein Team aus 15 Architekten hin, die für ihn arbeiten. „Jeder muss denken können“, lautet Schillings Anspruch. Lösungen werden denn auch im Team entwickelt und sind nicht das Ergebnis visionärer Eingebungen des Chefs. Gut ist ein Bauwerk nach Schillings Überzeugung dann, wenn es „zum Freund des Menschen wird“, ihm also dient. Auf keinen Fall darf es durch seine Formensprache aufdringlich wirken. Das Material und der Raum sollen für sich selbst sprechen und mit allen Sinnen wahrnehmbar sein.

Entwerfen und Bauen liegen in Schillings Familie. Sein Vater Hans Schilling war ebenfalls ein bekannter Kölner Architekt und hat unter anderem den Gürzenich wieder aufgebaut und das Maternushaus, die Akademie des Erzbistums Köln sowie die Abtei Königsmünster in Meschede entworfen. Sein Sohn Johannes lernte zunächst die negativen Seiten des Berufes kennen: „Mein Vater war immer weg auf Baustellen“, erinnert er sich heute. Doch das Bauen lag wohl doch im Blut. Johannes Schilling studierte Architektur in Aachen und Düsseldorf und verbrachte ein Jahr in Halifax, Kanada, bereiste von dort aus ganz Mittelamerika. Recht schnell hat Johannes Schilling nach dem Examen sein eigenes Büro aufgebaut, zunächst mit Hilfe des Vaters, dann gewann er aber auch schon bald die ersten eigenen Wettbewerbe. Schillings Frau ist ebenfalls Architektin. Die beiden erwachsenen Töchter werden die Familientradition nicht weiter führen. Sie haben sich für andere Berufe entschieden.

Hintergrund: Sanierung des Hildesheimer Doms

Seit 1985 gehört der Hildesheimer Dom, dessen Fundamente bis ins 9. Jahrhundert reichen, mit seinen Kunstschätzen zum UNESCO-Welterbe, ebenso wie die Hildesheimer Michaeliskirche. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Bischofskirche mehrfach stilistisch umgebaut, bei einem Bombenangriff am 22. März 1945 weitgehend zerstört und danach wieder aufgebaut. Sowohl die Bautechnik als auch die Ästhetik entsprechen dem damaligen Stand der Technik beziehungsweise dem Zeitgeschmack und sind inzwischen überholt. Das Hildesheimer Domkapitel als Bauherr plant daher eine gründliche Sanierung seiner Bischofskirche bis zum 1.200jährigen Bistumsjubiläum 2015. Im Jahre 2005 gewann der Kölner Architekt Prof. Johannes Schilling den ausgeschriebenen Architektenwettbewerb. Schilling will vor allem das romanische Raumgefüge wieder herstellen. Unter anderem wird die Bernwardtür, die bislang eine Außentür ist, nach innen versetzt, die Orgelempore zugunsten einer frei tragenden Konstruktion abgebrochen und die Treppenanlage im Nordquerschiff entfernt. Neben einem neuen Zugang zur Krypta entsteht auch eine Grablege für die verstorbenen Bischöfe. Abgesenkt wird zudem der Altarraum. Der Hezilo-Leuchter kehrt an seinen ursprünglichen Ort in die Mitte des Domes zurück. Völlig neue Räume erhält das Dom-Museum des Bistums. Es zieht in die ehemalige St. Antoniuskirche neben dem Dom, die in den nächsten Jahren ebenfalls nach Schillings Plänen zum Museum umgebaut wird. Die Gesamtkosten werden voraussichtlich bei 29,98 Millionen Euro liegen, davon trägt das Bistum 7,22 Millionen Euro selbst.


Dritter Teil der Sommerserie zu Themen rund um den Hildesheimer Dom