Ein Pflanzhaus mit Bier gedüngt
Das Hildesheimer Priesterseminar feierte 175. Geburtstag
Hildesheim (bph) Seit 175 Jahren besteht das Hildesheimer Priesterseminar. Und vor 50 Jahren, am 13. Oktober 1959, weihte der damalige Bischof Heinrich Maria Janssen den Seminarneubau in der „Neue Straße“. Grund genug für den Regens des Priesterseminars, Dr. Christian Hennecke, diesen doppelten Geburtstag mit Bischof und Priestern zu feiern und dabei zurück, aber auch nach vorne zu blicken.
Dem lateinischen Wortursprung gemäß ist ein Seminar ein Pflanzhaus oder eine Baumschule. Als Pflanzhaus, das reiche Frucht getragen habe, bezeichnete Bischof Norbert Trelle denn auch in der Geburtstags-Vesper sein Priesterseminar. Darum sei ein solches Haus eben gerade keine „Kaplänefabrik“, wie man in Köln gerne sage, sondern ein Ort, wo Gottes Samen wachsen und reiche Frucht bringen könne zum Wohle der Menschen.
Das Hildesheimer „Pflanzhaus“ ist wohl über Jahrzehnte hinweg auch gut mit Bier gegossen worden, wie der kurzweilige geschichtliche Rückblick von Bistumsarchivar Dr. Thomas Scharf-Wrede zeigte. So legten die ersten Statuten des Priesterseminars im Jahre 1834 unter anderem fest, dass die Priesteramtskandidaten Kaffee auf eigene Kosten lediglich zum Frühstück trinken durften. Auf Rechnung des Hauses wurde dem Priesternachwuchs dagegen „zur Tischzeit und nachmittags 4 Uhr Bier gereichet“. Auch ansonsten waren Tagesablauf und Mahlzeiten genau geregelt, um die jungen Männer an „häusliche und priesterliche Disziplin“ zu gewöhnen.
Dahin war es ein langer Weg gewesen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren die meisten Hildesheimer Priester nur mangelhaft ausgebildet. Erst nach jahrelangen Bemühungen und politisch-kirchlichen Verstrickungen gelang 1834 die Eröffnung der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt mit angeschlossenem Seminar im ehemaligen Kapuzinerkloster. Bis der Kulturkampf zwischen Staat und Kirche ausbrach, konnten die Priesteranwärter in Hildesheim also bei fünf Professoren Theologie studieren. Doch 1873 wurde die Hochschule samt Seminar geschlossen und das Seminar erst 13 Jahre wieder eröffnet – ohne Hochschule. Seitdem studiert der Hildesheimer Priesternachwuchs an anderen Universitäten und bereitet sich dann im Hildesheimer Seminar auf den Einsatz im Bistum vor. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wollten dies so viele junge Männer tun, dass ein Neubau nötig wurde, den Bischof Janssen dann auch 1959 weihte. Doch selbst damals war die Zahl der Neupriester zu gering für die große Zahl der Katholiken. „Eigentlich haben wir in unserem Bistum immer zu wenige Priester gehabt und sind dennoch glaubwürdig Kirche geblieben“, lautete denn auch das Fazit des Bistumsarchivars, „warum also sollte das heute nicht auch möglich sein?“
Trotzdem macht der Priestermangel Sorgen, auch in anderen Bistümern. Aus Münster war Dr. Andreas Tapken, der Regens des dortigen Priesterseminars, an die Innerste gekommen, um über die Priesterausbildung der Zukunft zu sprechen. „Eine Antwort auf den Priestermangel habe ich auch nicht“, bekannte er gleich zu Beginn mit entwaffnender Offenheit. Dagegen beschrieb er recht eindringlich, wie sich die Ausbildung des Priesternachwuchses in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Der klassische Seminarist, der nach dem Abitur ins Priesterseminar strebt, kommt immer seltener. Stattdessen suchen oft gestandene Männer mit beruflicher Vorerfahrung um Aufnahme, weil sie auf einer spirituellen Suche sind. Vier Dinge muss die moderne Priesterausbildung nach Tapkens Überzeugung leisten: Zum einen hilft sie dem angehenden Priester, seine eigene Identität zu finden, zum anderen erzieht sie ihn zur Liebes- und Hingabefähigkeit an eine lohnende Sache. Außerdem sollte der Seminarist seine Spiritualität in der Gemeinschaft entwickeln und schließlich ständig lernbereit bleiben. „Wer Priester werden möchte, muss sich darauf einstellen, lebenslang ein Wanderer zu sein“, brachte es Tapken auf den Punkt.