Ein Kraftfeld im Eichsfeld
Wallfahrt zum Hülfensberg war Thema beim St. Martins-Empfang der Augustiner in Germershausen
Germershausen (bph) Die Wallfahrt auf den Hülfensberg bei Geismar im Obereichsfeld hat auch heute noch eine weite Ausstrahlung. Wie in den vergangenen Jahrhunderten kann sie auch in Zukunft ein Kraftfeld für das ganze Eichsfeld und darüber hinaus sein, sagte Thomas T. Müller, Direktor der Mühlhäuser Museen, am Mittwochabend als Festredner beim traditionellen St. Martins-Empfang der katholischen Bildungsstätte St. Martin in Germershausen.
Ein Berg, der nachweislich seit dem 14. Jahrhundert Pilger anzieht, muss etwas Besonderes haben. Alleine das wundertätige Kreuz auf dem Berg kann es nicht sein. Tatsächlich hat der Hülfensberg in den vergangenen Jahrhunderten auch eine andere, wichtige Funktion erfüllt, wie Thomas Müller in seinem Referat „Kraftfeld Hülfensberg? Überlegungen zu den Wirkungen eines ‚Eichsfelder Nationalheiligtum’“ nachwies: Der Hülfensberg war immer Kristallisationspunkt einer Eichsfelder Identität – und die Wallfahrten all zu oft auch eine Machtdemonstration gegen äußere Feinde.
So feierten zum Beispiel im Jahre 1848 mehr als 40.000 Pilger den 1.100 Jahrestag der Christianisierung des Eichsfeldes. Zwei Wochen lang war der Berg Schauplatz zahlreicher Messen. Ergebnis: Die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 gingen an den Eichsfeldern weitgehend vorbei. Im ausgehenden 19. Jahrhundert schließlich wurde ein Sohn des Eichsfeldes zum Symbol des Widerstandes gegen die Obrigkeit: Der Paderborner Bischof Dr. Konrad Martin aus dem eichsfeldischen Geismar hatte sich im Kulturkampf gegen die Preußen als unbeugsamer Verteidiger der Kirche gezeigt. Im Jahre 1933 bauten die Eichsfelder zu seinem Angedenken das „Konrad-Martin-Kreuz“ auf den Hülfensberg, eine Demonstration gegen den Nationalsozialismus. Das Kreuz blieb auch später unter sozialistischen Vorzeichen ein Kreuz des Anstoßes für die Machthaber.
Welche Bedeutung hat der Hülfensberg heute, nach der Öffnung der Grenzen? „Ein Kraftfeld oder eben ein Erinnerungsort leben von der ständigen Belebung“ konstatierte Müller ganz nüchtern. Es müsse sich erst noch zeigen, ob dieser Wallfahrtsort auch in Zukunft die gleiche wichtige Rolle für das Eichsfeld spielen könne wie in der Vergangenheit. Doch es gibt Hoffnung: Die Franziskaner, die seit fast 150 Jahren auf dem Hülfensberg leben, setzen bei der Wallfahrt zunehmend auf die Ökumene. „Ein guter Ansatz“, urteilte Historiker Müller in Germershausen.
Zum traditionellen St. Martins-Empfang ihrer katholischen Bildungsstätte St. Martin hatten die Augustiner unter der Führung von Direktor Pater Lukas Schmidkunz OSA auch in diesem Jahr gemeinsam mit den bischöflichen Kommissaren des Unter- und Obereichfelds, Propst Wolfgang Damm und Propst Heinz Josef Durstewitz, nach Germershausen eingeladen. Zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft folgten der Einladung. Der St. Martins-Empfang erinnert an den Heiligen Martin, den Schutzheiligen des Eichsfelds.