Ein ganz besonderer Tisch
Der Kölner Künstler Ulrich Rückriem gestaltet für den Hildesheimer Dom einen Altar aus 120 Millionen Jahre altem Stein
Einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler konnte für die Gestaltung des neuen Altares im Hildesheimer Mariendom gewonnen werden: Ulrich Rückriem (74) aus Köln gestaltet den sakramentalen Tisch aus Anröchter Kalkstein.
Bestechend schlicht wird der neue Altar werden. Die Grundfarbe des Steins ist Grün. Nur die Innenseiten der Altarbeine werden vergoldet - eine Hommage des Künstlers an die frühere Tradition, unterhalb der Altarplatte einen Reliquienschrein zu platzieren. Das dezente Gold soll die Dombesucher an die Heiligen erinnern, die hier verehrt werden.
Rückriem schneidet und spaltet den monumentalen Block, aus dem der neue Altartisch entsteht und fügt die Stücke dann neu zusammen. Er teilt und verdoppelt die Teile – ein Charakteristikum seiner bildhauerischen Kunst. Der Hildesheimer Rückriem-Altar entsteht durch sieben Schnitte - zwei horizontale und fünf Vertikale - sowie durch eine Spaltung - horizontal in der Mitte. Die Vorderseite bleibt naturbelassen.
Untrennbar ist für Ulrich Rückriem der Zusammenhang zwischen der Skulptur, die er erschafft, und dem Ort, an dem diese steht: „Erst der Ort gibt der Skulptur die Bedeutung, macht aus einem steinernen Tisch, wie er überall stehen könnte, einen Altar, der unverrückbar steht und an dem sich Heiliges vollzieht.“
1,10 mal 1,90 Meter beträgt die Fläche, die der neue Altar im Dom einnehmen wird. 200.000 Euro betragen die Kosten für das Werk des international renommierten Künstlers. Die Kosten trägt zum größten Teil das Hildesheimer Domkapitel. Gefördert wird der neue Altar durch den Münchener Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V., die Klosterkammer und den Dombauverein Hildesheim.
Der Stein, den Ulrich Rückriem ausgewählt hat, stammt aus einem Steinbruch in der Nähe von Soest. Der Anröchter Kalkstein, der auch als Dolomitstein bekannt ist, ist 120 Millionen Jahre alt. Die grüne Farbe stammt aus den tieferen, den älteren Schichten. Anröchter Stein gilt in seiner Beschaffenheit als weltweit einmalig.
„In diesem Altar wird die ganze Schöpfung mit ihren unermesslichen Zeiträumen im Dom gegenwärtig“, unterstreicht der Generalvikar des Bistums, Dr. Werner Schreer, die Bedeutung für das restaurierte Gotteshaus. „Das zeigt: In unserem Glauben geht es nicht nur um die Religiosität der versammelten Gemeinde, sondern es geht um das Schicksal der ganzen Schöpfung.“
Der Altar ist der zentrale Ort des liturgischen Geschehens, der Ort an dem sich dem katholischen Glauben gemäß in jeder Messfeier erneut die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi vollzieht. Er erinnert nicht nur an das Letzte Abendmahl, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern hielt, sondern in seiner felsblockartigen Form auch an den Felsen - personifiziert im Apostel Petrus -, auf dem Christus seine Kirche erbaut hat.
Ulrich Rückriem wurde 1938 in Düsseldorf geboren. Er absolvierte zunächst eine Steinmetzlehre in Düren. Eine Zeitlang arbeitete er dann an der Kölner Dombauhütte und studierte an den Kölner Werkschulen bei Ludwig Gies. Schon während dieser Zeit arbeitete er als frei schaffender Künstler. Nach vielen, auch internationalen Stationen, lebt und arbeitet Rückriem heute in Köln und London. Seine Kunst wurde auch international beachtet und ist in vielen großen Sammlungen und Museen vertreten sowie an zahlreichen öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Gebäuden wie dem Berliner Reichstag zu sehen. Zu den zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gehören mehrfache Teilnahmen an der documenta in Kassel sowie eine Ausstellung auf der Biennale in Venedig (1978 mit Dieter Krieg).