Ein Fingerzeig Gottes
Bistum Hildesheim bildete Lehrkräfte zum Thema Sexueller Missbrauch weiter
Hildesheim (bph) Das Thema des sexuellen Missbrauchs trifft die katholische Kirche bis in ihre Grundfesten. Doch wenn sie daraus lernt, kann sie gestärkt aus dieser Krise hervor gehen. Darüber waren sich alle Referenten einig, die am vergangenen Freitag, 11. Juni, auf Einladung des Bistums in das Generalvikariat gekommen waren, um Religionslehrer weiter zu bilden. „Sexueller Missbrauch – Krise kirchlicher Glaubwürdigkeit. Auswirkungen auf Kirche, Schule und Religionsunterricht“ so der Titel der Fortbildung.
Die aktuelle Krise geht weit tiefer als die Irritationen nach der Wiederaufnahme der Piusbrüder in die katholische Kirche vor einem Jahr, glaubt Propst Martin Tenge. Viele Priester seien verunsichert, wie nah sie den Menschen überhaupt noch kommen dürfen, weiß Tenge, der als Regionaldechant von Hannover mitten in der Seelsorge steht, aus manchen Gesprächen. Das Vertrauen in die Seelsorger sei zwar erschüttert, aber nicht aufgehoben. Jetzt kommt es nach Tenges Meinung darauf an, dass die Kirche ihr „Kommunikationsvakuum zur Sexualität“ angemessen füllt und Kinder stark genug macht, um sich gegen Missbrauch zu wehren.
Die Krise der Kirche als Chance – auch Prof. DDr. Michael N. Ebertz von der Katholischen Fachhochschule in Freiburg kann den massiven Problemen durchaus Gutes abgewinnen. Vielleicht sei diese Kirchenkrise sogar „ein Fingerzeig Gottes mitten im Priesterjahr“, sagte er im Bischöflichen Generalvikariat vor etwa 50 Lehrerinnen und Lehrern aus dem ganzen Bistum. Durch den sexuellen Missbrauch ist die Institution Kirche nach Ebertz‘ Beobachtung in den Augen vieler Menschen unter das Niveau der Gesellschaft gefallen. Aus Hochachtung sei oft Verachtung geworden und die Menschen fragten sich, ob die Kirche noch weitere Leichen im Keller habe, etwa in finanzieller Hinsicht.
Entscheidend sei, dass die Verantwortlichen daraus jetzt die richtigen Schlüsse zögen. Kirchliche Strukturen müssen nach Ansicht von Ebertz „entsakralisiert“ werden, statt sie zu „resakralisieren“ und damit der Kritik zu entziehen. Die Kirche muss ihre Bereitschaft zur Veränderung zeigen. Das fordert den Willen zu echten Reformen, statt nur verbale Schuldbekenntnisse, glaubt der Freiburger Wissenschaftler. Fragen wie Homosexualität und psychische Gewalt innerhalb kirchlicher Strukturen dürfen dabei nicht ausgeblendet werden.
Mit interessanten Einblicken in die Psyche von Tätern und Opfern bereicherte Dr. Eva Busch vom Winnicott-Institut in Hannover den Nachmittag. Nach ihrer Erfahrung zerstören Gewalt und sexueller Missbrauch das Urvertrauen eines Kindes. Opfer entwickeln kein Gefühl für die eigene Unversehrtheit – und jene anderer Menschen. Furchtbare Folge: „Ein Opfer strebt danach, Täter zu werden, so wie jeder Täter einmal Opfer war“. Indem es einen schwächeren Menschen missbrauche, könne ein ehemaliges Opfer für einen kurzen Moment seine eigene Macht spüren und sein Minderwertigkeitsgefühl überspielen, behauptet die Expertin. Natürlich reagieren Menschen unterschiedlich auf eine gewaltsame Traumatisierung, abhängig von ihrer Widerstandskraft. Während die einen ihre Aggressionen nach außen zeigen, richten sie andere eher nach innen und werden zum Beispiel depressiv. In jedem Fall müsse man einem Opfer zunächst helfen, ein Gefühl des Geschütztseins und der Unversehrtheit zu entwickeln.