Ein Abend für das Gemeinwohl
Katholisches Forum Niedersachen diskutierte über die Soziale Marktwirtschaft
Hildesheim/Hannover (bph) „Katholische Sozialethik und demokratischer Sozialismus“ waren als gegensätzliche Positionen beim Katholischen Forum Niedersachsen angekündigt worden. Doch so einfach ließen sich Prof. Dr. Gerhard Kruip und Dr. Dietmar Bartsch am Mittwochabend im Alten Rathaus Hannover nicht in ein Schema pressen. Zum Thema „Gemeinwohl – Neue Konsense für die soziale Marktwirtschaft“ diskutierten sie vor zahlreichen Zuhörern fernab mancher Schablonen.
Steuerskandale, eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, Reformverlierer gegen Reformgewinne – wird die soziale Marktwirtschaft zerrieben zwischen den unterschiedlichen Interessen? Interessante Diskutanten hatte Jens Lüpke, Direktor des Katholischen Forums Niedersachsen, zu diesem Thema eingeladen und wurde dafür mit dem großen Zuspruch geladener Gäste aus Politik und Gesellschaft belohnt: Prof. Dr. Gerhard Kruip, Direktor des „Forschungsinstitut für Philosophie Hannover (FIPH)“ und Sozialethiker an der Universität Mainz saß als katholischer Sozialethiker auf dem Podium, während Dr. Dietmar Bartsch MdB, Bundesgeschäftsführer der Partie „Die Linke“, eher für den demokratischen Sozialismus stehen sollte. Schnell zeigte sich in der munteren Diskussion aber auch der durchaus reizvolle Gegensatz zwischen dem gelehrten Forscher einerseits und dem pragmatischen, diskussionserprobten Politiker andererseits.
Beide hielten sich nicht lange mit theoretischen Erwägungen auf. Schnell kamen von Hartz IV über die Erbschaftssteuer bis hin zum Mindestlohn die aktuellen tagespolitischen Themen auf den Tisch. Während Bartsch unter anderem die „Schieflage zwischen der wachsenden Zahl an Millionären und der wachsenden Zahl armer Kinder“ beklagte, hatte Kruip mit der Bildungspolitik sein großes Thema gefunden, auf das er an diesem Abend öfter zurück kam. Jens Lüpke gelang es als Moderator immer wieder, die beiden Diskutanten mit süffisanten Bemerkungen und provokativen Fragen aus der Reserve zu locken. Dabei zeigten sich beide auch von unerwarteten Seiten: Wer in Bartsch etwa einen knallharten Sozialisten erwartet hatte, der nach dem Staat rufen würde, sah sich angenehm enttäuscht. Mit viel Liebenswürdigkeit und Humor vertrat er durchaus pragmatische Positionen. Obligatorisch natürlich der Hinweis auf die wachsende Zahl armer und obdachloser Menschen auf deutschen Straßen. Den reichen Erben möchte der „Linke“-Politiker gerne eine höhere Erbschaftssteuer zumuten. Doch der Sozialstaat sei nicht für alles zuständig, gab er zu verstehen. Bartsch möchte, dass die „großen Risiken“ Armut und Gesundheit abgedeckt werden. Darüber hinaus müsse man auch auf die Solidarität der Menschen bauen, die in den vergangenen Jahren nach seinem Einruck wieder gewachsen ist.
Auch Kruip sah das ähnlich, forderte ein „soziokulturelles Existenzminimum“ und betonte den Wert einer guten Bildung als Mittel zu mehr Chancengerechtigkeit. Für einige Zuhörer wohl zu sehr, denn indem er den ökonomischen Nutzen von Bildung betonte handelte sich Kruip anschließend in der Diskussion den unausgesprochenen Vorwurf ein, neoliberales Gedankengut zu vertreten. Für einige Zuhörer zu wirtschaftlich gedacht war auch Kruips Bemerkung, viele kinderlose Paare würden sich schlicht marktgerecht verhalten, indem sie die Opportunitätskosten des Kinderkriegens umgingen. Kruip selbst stellt dann aber in der Diskussion klar und traf sich in diesem Punkte wieder mit Bartsch, dass die Gesellschaft noch zu wenig Anreize zum Kinder bekommen gibt. „Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein,“ unterstrichen Kruip und Bartsch übereinstimmend.