Die Welt des Mittelalters
Romanischer Leuchter ist „Kunstwerk des Monats“ im Hildesheimer Dom-Museum
Hildesheim (bph) Einen einzigartigen romanischen Leuchter präsentiert das Hildesheimer Dom-Museum als „Kunstwerk des Monats“ für Juni und Juli. Er spiegelt die Welt des Mittelalters mit seiner heilsgeschichtlichen Dimension wider und zeigt in Darstellungen die in der damaligen Zeit bekannten Erdteile Afrika, Asien und Europa. Das Exponat wird vom 15. Juni bis 31. Juli zu bewundern sein.
Auf dem Fuß des Leuchters thronen in Gestalt allegorischer Frauenfiguren die Personifikationen der Erdteile. Jede trägt ein Segment der mittelalterlichen Erdkreisscheibe, des „orbiculus“, die Asia entsprechend den mittelalterlichen Weltkarten die halbe Scheibe, Europa und Afrika jeweils ein Viertel des Erdkreises. Die Segmente der Erdscheibe tragen die Namen des jeweiligen Kontinents. Zusätzlich hält jede Personifikation ein Attribut, die Africa ein Buch mit der Aufschrift „SCIENTIA“ Wissenschaft, die Asia ein Gefäß mit Perlen mit der Umschrift „DIVITE“ Reichtum und die Europa ein Schwert mit der Aufschrift „BELLUM“ Krieg.
Die Darstellung der Kontinente als weibliche Personifikationen auf dem Hildesheimer Leuchter ist in der mittelalterlichen Kunst einmalig. Die verwendeten Attribute und Beischriften lassen sich teilweise in mittelalterlichen Bibelauslegungen nachweisen. So geht die Vorstellung von der Weisheit Africas auf das Wissen der Ägypter zurück, das die Israeliten beim Auszug mit sich nehmen konnten. Afrika gilt im Mittelalter auch als Ursprungsgebiet der Geometrie und der freien Künste. Der Reichtum Asiens ist bereits im Mittelalter sprichwörtlich, nicht zuletzt kommen kostbare Rohstoffe zum Beispiel Elfenbein und Edelsteine aus asiatischen Ländern. Das von den Idealen des Rittertums geprägte Europa gilt dagegen als wehrhaft und verteidigungsbereit, daher das Schwertattribut und die Aufschrift „Krieg“.
Mit seinem einmaligen Bildprogramm ist der Leuchter ein begehrtes Exponat bei großen Ausstellungen mittelalterlicher Kunst, zuletzt im italienischen Parma. Dort wurde er in einer umfassenden Schau unter dem Titel „Jacques le Goff´s European Middle Ages“ zu Ehren des prominenten französischen Historikers präsentiert.
Zu diesem Leuchter mit den Erdteilen gehört als Pendant ein zweiter Leuchter mit den Personifikationen der Medizin (MEDICINA), des Konflikts (CONFLICTUS) sowie von Theorie und Praxis (THEORICA und PRACTICA). Die Verbindung von geographischem Weltbild und den „Artes liberales“, den freien Künsten, macht das Leuchterpaar zu einem Abbild der auf Gott hin orientierten mittelalterlichen Weltordnung. Der Bestimmungsort der Leuchter ist der christliche Altar. Das Licht der Kerzen tragen sie als Zeichen des göttlichen Lichts, auf das die gesamte Schöpfung ausgerichtet ist.
Öffnungszeiten des Dom-Museums:
Dienstag bis Samstag: 10 bis 13 Uhr und 13.30 bis 17 Uhr
Sonn- und Feiertage: 12 bis 17 Uhr