Die Mauern fallen
missio-Gast Gaafar Bakhoum berichtet vor Weltmissionssonntag über die Situation in Ägypten
Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in Ägypten ist seit den politischen Umbrüchen im Land starken Spannungen ausgesetzt. Gaafar Bakhoum, koptisch-katholischer Christ und auf Einladung des internationalen katholischen Missionswerks missio bis 27. Oktober zu Gast im Bistum Hildesheim, sieht die Entwicklung der letzten Jahre aber auch durchaus positiv und erkennt einen Wandel im Umgang der beiden Religionen miteinander.
„Es ist eine schwere Zeit für Christen in Ägypten“, weist Bakhoum auf die Verfolgung durch fundamentalistische Muslime hin. Seit Beginn der Aufstände in 2011 würden sie zur Zielscheibe von Wut und Gewalt Unzufriedener im Land. Unter Mubarak hätten die Kopten in Ägypten noch sehr abgeschottet gelebt, „wie hinter hohen Mauern“. Das habe sich durch die neuen, instabilen politischen Verhältnisse geändert: „Die koptischen Christen sehen sich nun mehr als Ägypter, als Teil des Volkes. Sie kämpfen gemeinsam mit den friedlichen Muslimen für ein neues Land, auch wenn sie dafür teilweise einen hohen Preis bezahlen müssen“, betont Bakhoum.
Der ägyptische Gast ist Geschäftsführer der Organisation „Key of Life Association“, die im Süden des Landes um die Städte Luxor und Qena bedürftigen Christen und Muslimen in unterschiedlichsten Projekten Hilfestellung leistet. „Wir wollen die Menschen auf ihrem Weg zu mehr Selbstständigkeit unterstützen“, beschreibt Bakhoum das Hauptziel seiner Arbeit. Das geschieht beispielsweise in drei eigenen Kindergärten mit etwa 350 Kindern, in nachschulischer Betreuung von Jugendlichen oder in der Arbeit mit behinderten Menschen. „Sie sollen lernen, selber über ihr Leben zu bestimmen“, unterstreicht der Gast den auf Erziehung liegenden Fokus der von Jesuiten gegründeten Organisation. Die Muslimbrüder würden hingegen durch ihre Unterstützung Abhängigkeiten schaffen, die echter Freiheit entgegenstünden.
Religion spielt bei der Hilfe eine untergeordnete Rolle, alle arbeiten für das gleiche Ziel: 60 Prozent der Mitarbeiter von „Key of Life Association“ sind Muslime, 40 Prozent Christen. Auch die 15.000 Menschen, denen sie jährlich helfen, sind unterschiedlicher Religionszugehörigkeit. In den Projekten gibt es sogar Kooperationen mit radikalen Islamisten wie der Muslimbrüderschaft und den Salafisten. „Wir müssen lernen, offen zu sein und gemeinsam für unser Land zu arbeiten“, erklärt der Geschäftsführer die Beweggründe. Man müsse wegkommen von der sehr individualistischen Kultur des Ägyptens früherer Jahre: „Es ist unser Land, nicht das der Christen oder Muslime.“ Die positiven Zeichen mehren sich nach Ansicht von Bakhoum: Immer wieder hätten in letzter Zeit friedliebende Muslime die Kopten vor Übergriffen durch radikale Islamisten zu schützen versucht.
Unter dem Leitwort „Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben“ (Jer 29,11) stellt missio im Monat der Weltmission 2013 das Engagement der Kirche in Ägypten vor und bittet für den Weltmissionssonntag am 27. Oktober um Spenden. Das Internationale Katholische Missionswerk missio ist eines der größten Hilfswerke in Deutschland und fördert den Aufbau der katholischen Kirche und die Ausbildung seiner Mitarbeiter in über 75 Ländern in Afrika, Asien und Ozeanien. 2012 hat missio in Ägypten kirchliche Projekte mit insgesamt 642.835 Euro gefördert. Mit knapp 50 Millionen Euro finanzierte missio in 2012 weltweit rund 1.000 Einzelmaßnahmen.