Die Kirche soll auf Suchende zugehen
Jahresempfang des Bischofs mit 160 Gästen in Marienrode
Eine grundlegende Neuorientierung der Kirche in Seelsorge und Kommunikationsarbeit hat der Prager Prälat Tomáš Halík beim Jahresempfang des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle gefordert. An dem Empfang im Kloster Marienrode nahmen am Donnerstagabend mehr als 160 Persönlichkeiten aus Kirche und Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, Politik und Verwaltung, Justiz und Medien teil. Auch Vertreter des Judentums und der muslimischen Gemeinden waren der Einladung des Bischofs gefolgt.
„Ich glaube, die Kirche sollte lernen, besser mit denjenigen zu kommunizieren, die sich nicht völlig mit ihren derzeitigen Strukturen identifizieren können oder wollen, die jedoch trotzdem nicht an einem vollkommen anderen Ufer stehen“, sagte Halík. Die Zukunft der Kirche hänge davon ab, inwieweit es ihr gelinge, die Suchenden anzusprechen.
Der Referent: „Soll die Kirche nicht zu einer Sekte werden, kann sie sich nicht bloß um die Vollintegrierten kümmern, sondern sie sollte einen Raum öffnen auch für diejenigen, die am Glauben der Kirche noch nicht voll beteiligt sind.“ Die Formen der Seelsorge, die sich über Jahrhunderte bewährt haben, reichten heute nicht mehr aus.
„Wenn wir Christus nachfolgen wollen, müssen wir auf die Sehnsucht nach einer privilegierten Stellung in dieser Welt verzichten; jeder von uns muss den Menschen gleich werden, muss die Solidarität mit den Menschen unserer Zeit ernst nehmen“, erklärte der Professor.
Das Christentum in Europa erlebe eine bereits lange Jahre dauernde „mittägliche“ Ermattung, aus der es erst dann heraustreten könne, wenn es begriffen habe, dass es auf einem bedeutenden Scheideweg stehe und sich für einen der möglichen weiter führenden Wege entscheiden müsse.
Der Referent Tomáš Halík wurde 1948 geboren und arbeitete während des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei als Psychotherapeut. 1978 heimlich zum Priester geweiht, war er naher Mitarbeiter von Kardinal Tomášek und Präsident Václav Havel. Gegenwärtig lehrt er als Professor an der Karlsuniversität in Prag. Von Papst Johannes Paul II. wurde er zum Berater des Päpstlichen Rates für den Dialog mit den Nichtglaubenden ernannt. Halík ist Autor mehrerer Bücher, die auch auf Deutsch erschienen sind.