Das Beste kommt noch
Hildesheimer Bischof em. Dr. Josef Homeyer fordert neues Nachdenken über Europa
Hildesheim (bph) Die europäische Geschichte der vergangenen 50 Jahre ist eine Erfolgsgeschichte. Doch unser Kontinent steht vor gewaltigen Herausforderungen, sagte Prof. Dr. Dieter Grimm, emeritierter Richter des Bundesverfassungsgerichtes, beim 80. Geburtstag des ehemaligen Hildesheimer Bischofs Dr. Josef Homeyer. Auch Homeyer selbst wünscht sich in mehrfacher Hinsicht mehr Engagement für Europa.
„Einige Asymmetrien der europäischen Integration“ beklagte der emeritierte Verfassungsrichter und ehemalige Direktor des Wissenschaftskollegs in Berlin, Dieter Grimm, in Hildesheim. Als Festredner beim Geburtstag Homeyers, der oft als „Europabischof“ bezeichnet wird, beklagte Grimm unter anderem, dass die Deregulierung hemmender Gesetze weit voran geschritten sei, gemeinsames europäisches Recht aber nicht in der gleichen Schnelligkeit gestaltet werden könne. Ein deutliches Ungleichgewicht sieht der Jurist auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Während Wirtschaftspolitik inzwischen europaweit gestaltet werde, sei die Sozialpolitik noch immer meist Sache der einzelnen europäischen Staaten.
Ähnlich ungesund ist nach Grimms Ansicht zudem das Verhältnis von Politik und Verwaltung auf europäischer Ebene. Die Gewaltenteilung sei in den Nationalstaaten zwar klar geregelt – die Politik sorge für die Gesetze und die Verwaltung führe sie aus – auf europäischer Ebene aber weit weniger klar. „Wichtige Entscheidungen fallen unpolitisch im Bereich der Verwaltung“, bedauert der Berliner Ex-Richter. Daraus erklärt sich dann nach Grimms Meinung auch, warum Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für politische Entscheidungen auf Europaebene so oft auseinander fallen. Die Europäische Kommission sei nicht vom Willen der Wähler abhängig und folglich auch keinem öffentlichen Druck ausgesetzt. Den Unmut der Menschen bekämen dagegen oft die nationalen Politiker zu spüren, die für die Entscheidungen auf Europaebene gar nicht zuständig seien. Dies ist nach Grimms Überzeugung „mitverantwortlich für den Ansehensverlust nationaler Politik.“ Trotz aller Kritik hält Prof. Dr. Dieter Grimm die Integration Europas für „eine der wichtigsten politischen Leistungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“
Ähnlich sah das in seiner Erwiderung auch der Jubilar, Bischof em. Dr. Josef Homeyer. Für ihn ist die Einigung Europas die Antwort auf die historische Erfahrung des Nationalsozialismus, darum müsse sich Europapolitik immer „im Antlitz der Toten bewähren“ – eine Herausforderung auch für die Kirchen. Genau in diesem Punkt sieht Homeyer die europäische Aufbauleistung gefährdet. Wenn Europapolitik als reine Wirtschaftspolitik missverstanden werde, dann verliere der Kontinent seine Seele, seinen „Glutkern“. Der 80-jährige Bischof fordert, neu über die Aufgabenverteilung zwischen der nationalen und der internationalen, europäischen Ebene nachzudenken und vor allem den kulturellen Austausch zwischen den Völkern Europas zu fördern. Namentlich nannte der Jubilar die Türkei. Ein stärkerer kultureller Austausch könne helfen, das Verhältnis der christlich geprägten Länder Europas mit der islamisch geprägten Türkei zu „entideologisieren“. Vor allem aber wünscht sich Homeyer „mehr europäische Öffentlichkeit“. Konkret: Europathemen müssten in den Medien mehr Beachtung finden. Wenn das gelinge, habe Europa eine große Zukunft. „Als ich 1929 geboren wurde, hatte Europa das Schlimmste noch vor sich“, so beendete der Bischof seine stark beklatschte Rede, „heute kann ich sagen: Das Beste für Europa kommt noch!“
Bischof em. Dr. Josef Homeyer wurde am 1. August 1929 in Harsewinkel im Kreis Gütersloh geboren und feierte seinen 80. Geburtstag am Samstag in Hildesheim mit einer festlichen Terz im Hildesheimer Dom und danach mit rund 250 geladenen Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kirchen. Homeyer ist der 69. Bischof von Hildesheim. Er wurde 1983 geweiht und 2004 mit seinem 75. Geburtstag emeritiert. Der Jubilar war unter anderem ab 1989 Mitglied und ab 1993 Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (ComECE) und Mitglied im Präsidium des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), außerdem Mitglied der Kontaktgruppe der Polnischen und der Deutschen Bischofskonferenz. Innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz leitete er als Vorsitzender die „Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen“ und war Mitglied in der Kommission Weltkirche, des evangelisch-katholischen Kontaktgesprächskreises und der gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Ausdruck seiner Wertschätzung ist die Auszeichnung mit dem „Offizierkreuz des Polnischen Verdienstordens“ im März 2002 und die Verleihung des Ordens des Heiligen Sava durch die Serbisch-Orthodoxe Kirche im Juni 2006. Der Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hannover trug ihm im November 2002 die Ehrendoktorwürde an. Im September 2004 wurde Homeyer die Niedersächsische Landesmedaille und im November 2005 der Edith-Stein-Preis Göttingen verliehen. Seine Bischofsstadt Hildesheim machte ihn im Juni 2005 zum Ehrenbürger.