Bischof Wilmer zur Inklusion in Kirche: „Da ist noch Luft nach oben“

Podiumsdiskussion „Vollkommen (und) normal – Wie inklusiv sind Theologie und Kirche?“

Zu der Podiumsdiskussion am Dienstagabend hatte die Katholische Akademie des Bistums Hildesheim eingeladen. Moderatorin Nina Odenius (domradio.de) diskutierte in der Hildesheimer Dombibliothek mit Ulrike Bruschke, Prof. Dr. Markus Schiefer Ferrari, Julia Schönbeck und Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ zum Thema Inklusion in Kirche und Theologie. Dabei stand die Inklusion von Menschen mit sichtbarer Beeinträchtigung im Vordergrund.

„Hier im Bistum Hildesheim werden wir immer barriereärmer. Doch da ist noch viel Luft nach oben!“ sagte Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ. Die Gebäude im Bistum werden immer weiter umgebaut, um Barrieren abzuschaffen. Außerdem möchte Bischof Wilmer die Gespräche mit betroffenen Menschen intensivieren, um ihre Bedarfe zu erfahren. Julia Schönbeck stimmte zu: „Am besten lernen wir immer gemeinsam!“ Sie ist Studentin der evangelischen Theologie, im Expert:innenbeirat Inklusion der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und engagiert sich für Inklusion und Aufklärung in Social Media. Die aktive Teilnahme von Menschen mit Behinderung an den Gestaltungsprozessen sei sehr wichtig, so Schönbeck.

Die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung ist alltäglich für Ulrike Bruschke, Leiterin des Familienzentrums St. Bernward Salzgitter und Diözesanvorsitzende des Fachverbandes Katholische Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Hildesheim. Ihr Familienzentrum wird eine Mitarbeitende mit geistiger Behinderung und einen Mitarbeiter mit Trisomie 21 einstellen. „Den wertfreien Umgang mit Menschen mit Behinderung habe ich damals durch die enge Zusammenarbeit mit einem Pfarrer mit Kinderlähmung gelernt. Wir haben gemeinsam eine Kita aufgebaut“, erinnerte sich Bruschke.

Jedoch fehle es an Repräsentation von Menschen mit Behinderung bei den Amtsträger:innen in der Kirche, bemerkte Bischof Heiner Wilmer: „Immer noch gibt es nur wenige Priester mit Beeinträchtigung.“ Das liege vor allem daran, dass noch im 20. Jahrhundert eine Beeinträchtigung einen angehenden Priester von der Weihe ausschloss. Ein Grund dafür sei die Bibel, so die Moderatorin Nina Odenius, in der es heißt, dass ein Priester „makellos sein“ müsse.

„Einige Aspekte in der Bibel sind heute nur schwer nachvollziehbar. Wir müssen die Absichten hinter den Texten auf einer spirituell tieferen Ebene verstehen“, erklärte Prof. Dr. Markus Schiefer Ferrari, Professor für Exegese des Neuen Testaments und Bibeldidaktik an der Universität Koblenz-Landau. Insbesondere im Hinblick auf biblische Texte fühlten sich einige Menschen mit Beeinträchtigung eher abgeschreckt als angesprochen. Durch die Heilungsgeschichten, in denen Blinde wieder zu Sehenden werden, Taube zu Hörenden, werde der Eindruck vermittelt, nur geheilte Menschen kämen in den Himmel. „Ich frage mich: Was ist die Absicht der Heilung? Wahrscheinlich konnten die Menschen dadurch erst wieder am Gesellschaftsleben teilhaben“, sagte Julia Schönbeck.

Für Teilhabe brauche es heutzutage keine biblischen Wunder mehr, so der Konsens aller Diskutanten. Barrieren könnten abgebaut und Teilnahme gefördert werden. Für mehr gelingende Inklusion brauche es auch eine Veränderung in der Denkweise der Gesellschaft, forderte Wilmer. „Ich wünsche mir, dass die größte Veränderung in den Köpfen der Menschen geschieht und sich alle annehmen, wie sie sind“, sagte der Bischof zum Abschluss der Podiumsdiskussion.