Alles nur geliehen
Hildesheimer Domschätze bereichern Ausstellungen in Paderborn und Lemgo
Hildesheim (bph). Die Sanierung des Hildesheimer Doms und die Umgestaltung des angeschlossenen Dom-Museums machen es möglich, dass berühmte Kunstwerke der Bischofskirche derzeit in Museen anderer deutscher Städte zu sehen sind. Der berühmte Epiphanius-Schrein beispielsweise ist in Paderborn zu Gast, das Wrisberg-Epitaph im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake in Lemgo.
Christoph Stiegemann, Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn, ist begeistert über die berühmte Leihgabe aus Hildesheim. Wieder hat er sich vor die Stirnseite des Schreins gehockt und liest noch einmal: „Epiphanius episcopus“ – „Bischof Epiphanius“. Immer wieder könne er sich an diesem rund 100 Kilogramm schweren Silberschatz begeistern, sagt er. „Er ist eine unglaubliche Bereicherung für unsere neue Ausstellung.“
Die stellt nach der Umgestaltung des Museums die Heiligen und ihre Verehrung in den Mittelpunkt. „Vor allem die sterblichen Überreste, Reliquien also, strahlen bis heute eine starke Wirkkraft aus“, sagt Direktor Stiegemann und ergänzt: „Sie haben noch in der heutigen Zeit für uns eine große Bedeutung – auch wenn sie viele hundert Jahre alt sind.“
Epiphanius war von 466 bis 497 Bischof in Pavia, einer norditalienischen Stadt in der Nähe von Mailand . Er galt zu seiner Zeit, als das weströmische Reich seiner Auflösung entgegen ging, als unermüdlicher Friedensstifter zwischen den sich bekämpfenden Stämmen und Volksgruppen. Als er Anfang 496 starb, wurde sein Grab bald zu einer vielbesuchten Wallfahrtsstätte, die Menschen führten zahlreiche Heilungswunder auf seine Fürsprache zurück.
Bischof Othwin holte die Gebeine des Bischofs Epiphanius im Jahr 963 nach Hildesheim. Manchen Schilderungen nach soll es geradezu ein Raubzug gewesen sein. Daran wird heute gezweifelt. Vermutet wird eher: Die neu gegründeten Bistümer des Nordens suchten sich damals gerade in Italien himmlische Helfer. Und wenn die Überführung der Reliquien als unter schwierigsten Bedingungen geglückter Raub dargestellt werden konnte, dürfte der betreffende Heilige doch wohl kaum etwas dagegen gehabt haben.
Egal, was dran ist an der Geschichte des Raubzugs – in einer Hildesheimer Goldschmiede wurde im 12. Jahrhundert ein aufwendig gestalteter Schrein für die Gebeine des italienischen Bischofs angefertigt, der im Dom seinen Platz fand. Er gilt heute als einer der letzten erhaltenen romanischen Reliquienschreine. Besonders intensiv mit ihm beschäftigt hat sich Dr. Christiane Ruhmann. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Paderborner Diözesanmuseums sieht deutliche Parallelen zum Schrein des heiligen Liborius, der in Paderborn verehrt wird. „Wer sich den Epiphaniusschrein anschaut, bekommt eine klare Vorstellung davon, wie der mittelalterliche Liboriusschrein einmal ausgesehen hat.“
Der allerdings hat die Geschichte nicht überdauert: Während des Dreißigjährigen Krieges ließ ihn Herzog Christian von Braunschweig („Toller Christian“) zerstören und aus dem Silber die sogenannten Pfaffentaler prägen. Noch heute erinnern an der Stirnseite des neuen Liborischreins zwei der Taler an die Untaten des damaligen Feldherrn.
Noch weitere Leihgabe aus Hildesheim bereichern die derzeitige Ausstellung in Paderborn. Unter anderem gehören dazu ein Messgewand und die ledernen Pontifikalschuhe von Bischof Bernward. Aus eigenem Bestand gehört eine spätgotische Zylindermonstranz, entstanden um 1400, zu den Höhepunkten. Auf ihr abgebildet sind 30 Figuren aus Silber, die das Leben Jesu von der Geburt bis zur Auferstehung darstellen.
Wer das Diözesanmuseum Paderborn mit seiner neuen Ausstellung besucht, kann auch gleich einen Abstecher einplanen in das rund 50 Kilometer nördliche gelegene Weserrenaissance-Museum Schloss Brake im gleichnamigen Ortsteil der alten Hansestadt Lemgo. Dort nämlich wird erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg das monumentale Epitaph des Hildesheimer Domherrn Ernst von Wrisberg in seiner ursprünglichen Zusammenstellung gezeigt – drei großformatige Tafelbilder aus dem 16. Jahrhundert.
Gemalt wurden sie von dem Hildesheimer Maler Johannes Hopffe, der auch weit über die Stadt hinaus einen Namen hatte. Die Außentafeln zeigen Geburt und Auferstehung Christi. Vor allem aber bemerkenswert ist der mittlere Teil – ein gemalter Katechismus, gedacht als ausdrückliche Stellungnahme gegen den Protestantismus. Dargestellt sind die Sakramente Krankensalbung, Priesterweihe und Firmung sowie Ehe, Eucharistie und Beichte. Während im oberen Teil des Bildes die göttliche Dreieinigkeit Erlösung verheißt, winden sich auf dem unteren Teil des Bildes jene im Sumpf, die sich von der katholischen Kirche abgewendet haben.
Bis 1943 wurde das Wrisberg-Epitaph im Hildesheimer Dom gezeigt, dann aber aus Angst vor den Bombenangriffen ausgelagert. Später teilte man das großflächige Kunstwerk aus Platzgründen: Die beiden Außentafeln hingen als Altargemälde in zwei Seitenkapellen des Doms, die mittlere kam ins Magazin des Dom-Museums. Nach dessen Umgestaltung und der geplanten Wiedereröffnung im Jahr 2014 wird das Epitaph dann dort ausgestellt – in seinem ursprünglichen Zusammenhang und in einem rekonstruierten Rahmenwerk.
Hinweis:
Erzbischöfliches Diözesanmuseum Paderborn, Markt 17, 33098 Paderborn, Telefon: 05251/1251400; Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr; Eintritt: 2,50 Euro (ermäßigt 1,50 Euro). Die Familienkarte kostet 6 Euro.
Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, Schlossstr. 18, 32657 Lemgo, Telefon: 05261/9450-0; Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr; Eintritt: Dauerausstellung 3 Euro, Sonderausstellungen 4 Euro. Die Familienkarte kostet 6 Euro.
Zweiter Teil der Sommerserie zu Themen rund um den Hildesheimer Dom