Ein heiliges Experiment - Von Waghalsigkeit und Vertrauen
Zu welch ungewöhnlichen Orten und besonderen Begegnungen den Bischof das 1200-jährige Bestehen der Diözese führte, erzählt der Projektleiter für das Bistumsjubiläum. Außerdem erklärt Thomas Harling, was Trelles Zeit in Wuppertal mit dem Motto der Feierlichkeiten zu tun hat.
Wer den Bischof kennt und schätzt, dem ist von ihm ein Satz vertraut, der sich der Geschichte vergewissert und gleichzeitig einen Impuls für die Gegenwart setzt. Der Satz beginnt mit: In meiner Zeit in Wuppertal …
In seiner Zeit in Wuppertal hatte Bischof Trelle ein Theaterstück gesehen von einem etwas ausgefallenen unbekannten österreichischen Autoren (den niemand kannte), das von den Auseinandersetzungen der Jesuitenreduktionen in Lateinamerika handelte. Es ging um die Frage nach der richtigen Kirche, nach Freiheit, Wahrheit und Gehorsam, nach Institution und Gewissen. Dieses Theaterstück kam dem Bischof in den Sinn, als sich immer drängender die Frage stellte: Welches Motto soll das 1200-jährige Jubiläum des Bistums Hildesheim haben. Es kam ihm deshalb in den Sinn, weil klargeworden war, dass die Veranstaltungen zum Jubiläum sich nicht in Jubelfeiern, Schulterklopfen und Selbstzufriedenheit ergehen könnten. Sie sollten das Gelungene würdigen, gleichzeitig aber einen kritischen Blick erlauben auf Vergangenheit und Gegenwart und die Aufbrüche in die Zukunft unterstützen. Das Stück hieß: Das heilige Experiment.
Unter Tage und bis zu den Sternen
Und so begannen der Bischof und das Bistum zu experimentieren. Bedenken gehörten zur Versuchsanordnung dazu, aber auch Wagemut – manchmal Waghalsigkeit, der Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen, die Realität zur Kenntnis zu nehmen und sich an der Heiterkeit des Neuen zu erfreuen. Der Bischof besuchte seine Dekanate – und die Dekanate zeigten sich erfinderisch darin, ihn mit Situationen, Themen und Orten zu verbinden, die nicht alltäglich sind. In Bremerhaven nahm er an einer Quizshow teil, im Weserberglang befuhr er die Weser, auf dem Rad war er streckensweise bei der Umrundung des Bistums dabei. An der Ruhmequelle feierte er einen Gottesdienst, ebenso wie an der KZ-Gedenkstätte in Salzgitter. Es ging zu den Sternen hinauf beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und tief in die Erde beim Welterbe-Bergwerk Rammelsberg.
„Haben Sie gesehen, Herr Bischof?“
Immer mehr stellte sich heraus, dass gerade die Begegnung mit den vielen, unterschiedlichen Menschen eine eigene Versuchsreihe war. Eine Reihe, die auch die Leute mit ihm anstellten. „Haben Sie gesehen, Herr Bischof“, fragte der schnelle, laute und umtriebige Moderator über die Stadionlautsprecher beim Fußballspiel Stadt gegen Bistum Hildesheim, „dass Ihre Leute jetzt zum dritten Mal hintereinander gefoult haben? Wie passt denn das zu der christlichen Nächstenliebe?“ – „Das war nicht unfair“, antwortete der Bischof, der sich als Beistand extra die Statue des heiligen Luigi Scrosoppi, des Schutzpatrons der Fußballer und Fußballfans aus Hannover besorgt hatte, „das waren Einsatz und Engagement – und das ist, was ich von meinen Mitarbeitern erwarte …“ Ein Grinsen ging durchs Stadion. Und das Bistum verließ auch durch diese Bemerkung den Platz als Sieger der Herzen.
Was wird der Bischof erzählen, später, von seiner Zeit in Hildesheim, insbesondere vom Bistumsjubiläum, wenn er zurückdenkt und eine Idee für die Gegenwart braucht? Das Bistum wird vermutlich sagen, dass man sich und seinen Bischof ganz neu kennenlernt, wenn man experimentiert. Dass das Heilige sich offenbart, gerade auch an ungewöhnlichen Themen und merkwürdigen Orten. Und dass man dazu einen Bischof braucht, der improvisiert. Und der Vertrauen hat.