75 Jahre Grundgesetz: Feiern in den Gemeinden
Am 23. Mai dieses Jahres wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 75 Jahre alt. Das ist auch für die christlichen Kirchen in Niedersachsen ein Grund zum Feiern, denn als Christinnen und Christen leben wir die Werte, auf denen unser Grundgesetz basiert. Und wir engagieren uns kritisch und konsequent für Gerechtigkeit, Demokratie und eine soziale Gesellschaft. Das ist umso wichtiger, da aktuell grundlegende demokratische Errungenschaften in Frage gestellt werden.
„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum HERRN“ (Jeremia 29, 7). Dazu gehört auch das Engagement für das Grundgesetz, das „im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ damals wie heute dem Frieden dienen will (Präambel).
Wir würden uns deshalb sehr freuen, wenn Sie in Ihren Gemeinden am 23. Mai oder im Umfeld dieses Tages in Gottesdiensten, Andachten und Veranstaltungen das Jubiläum des Grundgesetzes und die Bedeutung der Demokratie für die Kirche zum Thema machen. Vielleicht planen Sie das schon in ökumenischer Verbundenheit oder zusammen mit anderen gesellschaftlichen Partnern?
Texte und liturgische Bausteine
- Grundsatztext "Recht und Gerechtigkeit im Alten Testament" (217 KB)
- Ökumenische Module, liturgische Bausteine und Ideen (243 KB)
- Psalmgebete und Lesungen für den Gottesdienst (mit Hinführungen) (111 KB)
- Fürbittgebet zu Art. 1 -4 Grundgesetz (95 KB)
- Liturgische Impulse für eine Jugendgottesdienst (217 KB)
Thema Kirche und Grundgesetz: Fragen an Prälat Prof. Dr. Felix Bernard, Leiter des katholischen Büros Niedersachsen in Hannover
Die Bundesrepublik feiert am 23. Mai 75 Jahre Grundgesetz – warum feiern die Kirchen mit?
Ich möchte dafür vor allem zwei Gründe nennen. Zum einen enthält das Grundgesetz mehrere Artikel aus der Weimarer Reichsverfassung, die den Religionsgemeinschaften und somit auch den Kirchen verschiedene Rechte einräumen, so zum Beispiel ein Selbstverwaltungsrecht und die Möglichkeit, Körperschaften des öffentlichen Rechts zu werden. Auch wenn die Kirchen nicht eigens genannt werden, sind sie doch eng mit dem Grundgesetz verbunden. Zum anderen setzen sich die Kirchen für die freiheitlich-demokratische Verfassung unseres Staates ein, besonders für den Schutz der Menschenwürde und der Grundrechte.
Das Grundgesetz ist die Verfassung für einen säkularen Staat – aber steckt nicht auch etwas Christentum drin?
Ja, am deutlichsten wird das durch den Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes, wo es heißt: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das deutsche Volk dieses Grundgesetz gegeben.“ Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren größtenteils Christen und stellten sich einen christlichen Gott vor. Es handelt sich in der Präambel aber um einen offenen Gottesbegriff, der Gott zwar nennt, aber nicht anruft. Der Gottesbezug soll die Menschen vor Hybris, Machtmissbrauch und Menschenverachtung bewahren.
Auch Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Unantastbarkeit der Würde des Menschen herausstellt, basiert auf christlichen Wurzeln. Zum einen steht dahinter der theologische Gedanke, dass der Mensch als Ebenbild Gottes unantastbar ist. Zum anderen identifiziert sich Gott so sehr mit den Menschen, dass er selbst Mensch wurde. Daher hat der Mensch eine unveräußerliche Würde, die ihm andere Menschen nicht absprechen können.
Ein weiteres Beispiel für christliche Spuren im Grundgesetz ist Artikel 2, der grundsätzlich das Lebensrecht von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod schützt.
Welcher ist Ihr Lieblingsartikel im Grundgesetz?
Artikel 19, der am Schluss des Grundrechtskataloges im Grundgesetz steht. Dort heißt es: „In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“ In keinem Fall – das heißt: auch nicht in katastrophalen Zeiten. Denn zum Besten, was den Deutschen in ihrer langen Geschichte widerfahren ist, gehören die Grundrechte, wie zum Beispiel der Schutz der Menschenwürde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gewissens- und Religionsfreiheit. Grundrechte sind keine Belohnung und keine Gratifikation. Sie stehen jedem Menschen zu. Sie gelten unabhängig vom Alter, vom Einkommen, vom Rang und Hautfarbe, von Gesundheitszustand und Bildungsgrad.