„Das Credo, das die christlichen Kirchen miteinander verbindet“
Bischof Wilmer würdigte in seiner Predigt am Ostersonntag das Konzil von Nicäa, das vor 1.700 Jahren stattfand
Es ist 1.700 Jahre her: Im Jahr 325 wurde während des Konzils von Nicäa das zentrale christliche Glaubensbekenntnis formuliert. Der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ ging in seiner Predigt am Ostersonntag im Hildesheimer Dom auf die herausragende Bedeutung des Konzils für die christlichen Konfessionen ein. Wir dokumentieren hier die schriftliche Fassung der Predigt:
Liebe Schwestern und Brüder,
es braucht solche Gottesdienste voller Jubel, die an Ostern gefeiert werden wie hier im Hildesheimer Dom. – Doch dabei verlieren wir die Menschen in Not und Elend nicht aus dem Blick. Ja, sie stehen im Mittelpunkt, weil der Gekreuzigte Mittelpunkt unseres Glaubens ist. So leiden wir mit, versuchen solidarisch zu sein mit den Geplagten und Verzweifelten. Uns trägt der Glaube, dass es eine Hoffnung gibt, die sogar über den Tod hinaus reicht! Denn der Leidende ist nicht im Tod geblieben. Als Auferstandener setzte er eine Bewegung voller Dynamik in Gang. Wir als Jüngerinnen und Jünger Jesu sollen neuer Sauerteig sein, der die Weltgesellschaft durchdringt im Sinne seiner Frohen Botschaft der Liebe und des Friedens. So orientieren wir uns an Jesus, der das Königreich Gottes verkündete. Die Menschen, die ihn damals erlebten oder von ihm hörten, staunten, so die Apostelgeschichte, „wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.“ (Apg 10,38). Sie fragten sich: Wer ist dieser Jesus? Woher kommt er? Diese Frage nahm nach Jesu Tod und Auferstehung an Bedeutung zu. So geriet Jesus selbst immer mehr in den Mittelpunkt des Nachdenkens. Wie ist seine Nähe zu Gott zu beschreiben? Mit welchem Begriff? Etwa mit „Sohn Gottes“? War Jesus schon immer Gottes Sohn? Oder wurde er es erst - bei der Taufe? Christen stritten immer heftiger darüber, so dass es einer Klärung bedurfte.
Diese Klärung sollte vor genau 1700 Jahren, im Jahre 325, das Konzil von Nizäa bringen; Nizäa eine Stadt ganz in der Nähe des heutigen Istanbul. Es kam zu den schönen Formulierungen: Jesus ist „Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott“. Es entstand ein ausführliches Glaubensbekenntnis, das in den folgenden Jahrzehnten und auf dem ersten Konzil von Konstantinopel, 56 Jahre später, weiterentwickelt wurde. Dieses nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis ist Fundament der Glaubenslehre fast aller christlichen Kirchen. So erkannte man: Gott ist dreifaltig: Vater – Sohn – Heiliger Geist. Dieses Glaubensbekenntnis wird immer wieder in den Gottesdiensten gesprochen (wie bei uns nachher auch). Es hat die großen Kirchenspaltungen überstanden, auch die der Reformation.
Es ist das Credo, das die christlichen Kirchen miteinander verbindet. Zwar sprechen wir „Ich glaube“. Doch es ist das große „Wir“ unseres Glaubens. Es ist die ökumenische Grundlage unseres Glaubens.
Ja, wir sprechen es. Doch was denken wir dabei? Wir sprechen in der Sprache der Antike, vor 1700 Jahren, einer feierlichen Sprache, die uns in einigen ihrer Formulierungen fremd ist, die wir allerdings in ihrer Fremdheit auch gewohnt sind und geheimnisvoll finden: Da heißt es von Jesus: „gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen.“
Schon damals wusste man: Menschliche Sprache kann das göttliche Geheimnis nie erfassen, nur berühren!
Heute würde man sich nicht mehr auf ein christliches Glaubensbekenntnis in moderner Sprache einigen können. So ist man froh und feiert heute, dass vor 1700 Jahren eine solche Einigung zustande kam. So wurde der Glaube der Kirche formuliert. - Dennoch glaube ich!
Vor 25 Jahren gab es eine vom Publik-Forum veranstaltete Aktion „Mein Credo“. Hunderte haben da ihr persönliches Glaubensbekenntnis geschrieben. Sie formulierten: „Ich glaube an das Unaussprechliche…“ - „Ich glaube an den Weg.“ - „Ich glaube an die Energie…“ – „Ich glaube an das Göttliche in allen Bewohnern dieser Erde…“. Einige schrieben anders: „Ich vertraue.“ - „Ich glaube, dass Du, Gott, mein tiefster Brunnengrund bist.“ - „Du über Namen und Natur… wer bist du?“.
Manche spürten: „Ich glaube an“ - das genügt nicht. Es fehlt das „Du“!
Am Anfang der Jesusbewegung stand die persönliche Beziehung zu Jesus, stand das „Du“. So sagte Petrus zu Jesus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,18). Später wurde versucht, die individuellen Bekenntnisse in einer objektiven Sprache zu formulieren. Das Glaubensbekenntnis sollte eine Vergewisserung sein, wer das ist, den ich als „Du“ erfahre.
Im heutigen Evangelium hörten wir: „Da ging auch der andere Jünger, der als Erster an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.“ (Joh 20,8f.). Wie passt das zusammen: Er sah und glaubte. Denn sie hatten noch nicht (die Schrift) verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse?
Der Glaube an – der Glaube an das leere Grab führte und führt nicht weiter.
Entscheidend ist: Ich glaube Dir, ich vertraue Dir! Es geht um die Begegnung mit dem geheimnisvollen göttlichen DU! Das führt zum Glauben!
Diesem Geheimnis sind Petrus, Maria von Magdala und die vielen anderen begegnet, als sich ihnen gegenüber der auferstandene Jesus erfahren ließ. Sie sind dem lebendigen Jesus begegnet und spürten: In ihm zeigt sich Gott. Später wurden - in den Evangelien - Geschichten geschrieben, wie man sich die Begegnungen mit dem Auferstandenen vorstellte. Auch in ihrer Plastizität haben diese Erzählungen das Geheimnisvolle bewahrt, wie etwa bei den Emmausjüngern. Sie gingen mit einem Unbekannten. Beim Brotbrechen erkannten sie in ihm Jesus; und in diesem Moment entschwand er ihren Blicken. Eine geheimnisvolle Begegnung! Der Versuch, etwas Unaussprechliches in Sprache zu fassen!
Wir sind auch hier im Dom zum „Brotbrechen“ zusammengekommen – so nannte man in der frühen Kirche die Feier der Heiligen Messe. Sie soll uns die Erfahrung schenken, dem geheimnisvollen göttlichen DU zu begegnen. Wir können dem Auferstandenen begegnen! Auch - mitten im Alltag!
Von Gott als dem „ewigen Du“ sprach der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber.
Wir können mit diesem „ewigen Du“, das sich für uns in Jesus Christus offenbart hat, durch unser Leben gehen. Sagen wir immer wieder „Du“! Es ist ein kurzes Gebet und vermittelt die Erfahrung der Begegnung mit dem geheimnisvollen Urgrund unseres Seins. In einem Gebet der Kirche heißt es: „Gott, du bist da. Deine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen, ohne die wir nicht leben können. Gib, dass wir dir ganz vertrauen und leben ohne Angst.“ Sagen wir immer wieder „Du“ zum großen Geheimnis, das uns umfängt.
Verlebendigen wir in diesem Sinne das Große Glaubensbekenntnis, das auf das Konzil von Nicäa zurückgeht (und das wir nachher miteinander sprechen): Ich glaube Dir, Jesus! Du!
Amen