Versöhnung statt Schuldzuweisung
Der "Friedensgrund 2004" brachte Jugendliche aus zehn Ländern zusammen
Hildesheim (bph) Ein "faszinierendes Ereignis" war der "Friedensgrund 2004" in den Augen des Hildesheimer Bischofs Dr. Josef Homeyer. Kurz nach seiner Rückkehr von diesem internationalen Jugendprojekt in Polen zeigte sich Homeyer am Montag begeistert von der Offenheit und Ernsthaftigkeit der Jugendlichen aus Ost und West.
Der diesjährige "Friedensgrund" hat vom 1. bis 13. August rund 180 Jugendliche zwischen 17 und 30 Jahren aus zehn verschiedenen Ländern vor allem aus Osteuropa in der südostpolnischen Stadt Stary Sacz zusammengeführt. Auf Einladung des polnischen Bischofs Wiktor Skworc schlugen sie ihre Zeltstadt an jenem Ort auf, an dem Papst Johannes Paul II am 16. Juni 1999 die selige Kinga (Kunigunde) heiliggesprochen hat. Dort soll ein Pilgerzentrum entstehen, an dem die internationalen Gäste mitgebaut haben.
Eine "offene und versöhnliche Grundstimmung" habe dieses Lager gekennzeichnet, sagte Bischof Dr. Josef Homeyer, der wie in früheren Jahren selbst mitgefahren ist und auch mitarbeitete. Ihm sei aufgefallen, wie sehr die Jugendlichen in diesem Jahr aufeinander zugegangen seien und ihre "Geschwisterlichkeit im Herrn" betont hätten. Auch der Dialog mit den Vertretern der orthodoxen Kirchen sei sehr erfreulich verlaufen.
Einer der Höhepunkte der Reise war der Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz. Dies sei für alle "ein Schock" gewesen, so Homeyer. Ein Schock allerdings, der die Gespräche untereinander befruchtet habe. "Es gab ein großes Bedürfnis, ohne Schuldzuweisungen öffentlich über die Vergangenheit zu sprechen," hat Homeyer mit großer Freude beobachtet.
Zur guten Verständigung trugen nach Ansicht von Diözesanjugendseelsorger Martin Tenge, Hauptorganisator des Projektes, auch die gute Vorbereitung der Gruppen aus den verschiedenen Ländern mit bei. Dank eines "sehr guten Leitungsteams" sei es gelungen, die Jugendlichen miteinander ins Gespräch zu bringen und gegenseitige Vorurteile zu korrigieren. "Dies war ein zutiefst spiritueller und politischer Friedensgrund" lautete Tenges zufriedenes Fazit.
"Im Grunde trennt uns nicht viel", meint Katrin Kurth (23), die als eine der Deutschen mitgefahren ist, mit Blick auf die gleichaltrigen Jugendlichen aus Osteuropa. Die Zukunftshoffnungen und Ängste seien ähnlich. Und auch Vorurteile gebe es auf beiden Seiten, wenn auch unterschiedliche. Das Bild vom bösen Deutschen sei ebenso korrigiert worden wie die Vorstellung, in Osteuropa sei die Welt für die Kirchen noch heil. "Auch dort verlieren die Kirchen immer mehr an Rückhalt", hat Katrin Kurth aus den Gesprächen herausgehört. Für Michael Pipiorke (21) war der Friedensgrund eine Möglichkeit, sinnvoll die Semesterferien zu verbringen. Es habe sich gelohnt, meint auch er.
Wie in den vergangenen Jahren durfte auch der diesjährige Friedensgrund auf die logistische Unterstützung des Malteser-Hilfsdienstes zählen. Zwei LKW mit insgesamt 40 Tonnen Material wurden nach Polen gebracht, erzählt Michael Spautz von den Hildesheimer Maltesern. Darunter waren 50 Schlaf-, Küchen-, Kirchen- und Duschzelte sowie mobile Toiletten. Elf ehrenamtliche Malteser-Helfer aus dem Bistum Hildesheim haben gemeinsam mit rumänischen Kollegen eine komplette Zeltstadt errichtet und versorgt. 200 Kilogramm Käse zum Beispiel wurden in 10.000 Scheiben geschnitten und wanderten in hungrige Mägen.
Das internationale Jugendprojekt "Friedensgrund" wurde von Bischof Dr. Josef Homeyer ins Leben gerufen. Es wird jeden Sommer durchgeführt und dient der Begegnung zwischen Jugendlichen aus dem Bistum Hildesheim mit Gleichaltrigen aus mittel- und osteuropäischen Ländern. Der "Friedensgrund" soll zur Aussöhnung der Völker beitragen und damit dem Frieden in Europa dienen. Das erste Camp wurde 1990 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen gebaut. Auch in Polen, Russland, Tschechien, Belarus und anderen osteuropäischen Ländern haben Jugendliche schon für zwei Wochen zusammen gelebt und gearbeitet.