Stellungnahme des Bistums Hildesheim zur Windel-Klage

Diözese hat Klageerwiderung beim Landgericht Hildesheim eingereicht

Das Bistum Hildesheim hat auf die Schmerzensgeld-Klage von Herrn Jens Windel reagiert und durch seinen Anwalt am 12. August 2024 fristgerecht eine Klageerwiderung beim Landgericht Hildesheim eingereicht. In seiner Klageerwiderung beantragt die Diözese, die Klage von Herrn Windel abzuweisen.

Das Bistum Hildesheim kann keine Aussagen dazu machen, ob die Schilderungen der sexualisierten Gewalt, die Herr Windel getätigt hat, in der von ihm vorgetragenen Weise zutreffend sind. Das Bistum wahrt seine Rechte als Prozesspartei nach der Zivilprozessordnung, bestreitet bestimmte Sachverhalte und erhebt die Einrede der Verjährung. Ebenso vertritt das Bistum Hildesheim in seiner Klageerwiderung die Auffassung, dass keine Amtshaftungsansprüche bestehen, die von Herrn Windel geltend gemacht werden könnten. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, über die das Gericht entscheiden muss.

 

Was fordert Jens Windel in seiner Klage gegen das Bistum Hildesheim?

Herr Windel hat vor dem Landgericht Hildesheim eine Klage eingereicht. Er fordert vom Bistum Hildesheim ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 400.000 Euro nebst Zinsen sowie die Feststellung, dass das Bistum verpflichtet ist, dem Kläger auch zukünftig allen materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus den behaupteten Schadensereignissen noch entsteht. Herr Windel beschuldigt den mittlerweile verstorbenen Pfarrer Christian S., ihn in den Jahren 1984 bis 1985 sexuell missbraucht zu haben.

Warum hat sich das Bistum Hildesheim mit Herrn Windel nicht außergerichtlich geeinigt?

Herrn Windel sind im Jahr 2022 durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) insgesamt 50.000 Euro zuerkannt worden. Später hat Herr Windel über seinen Anwalt das Bistum Hildesheim dazu aufgefordert, außergerichtliche Vergleichsverhandlungen über weitere materielle Leistungen aufzunehmen. Dies hat das Bistum Hildesheim abgelehnt, weil bei einem solchen außergerichtlichen Vergleich eine unabhängige Instanz gefehlt hätte.

Eine solche unabhängige Instanz gibt es im UKA-Verfahren. Es ist bundesweit einheitlich und unabhängig, weil die Zahlungen an Betroffene durch ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium festgelegt und angeordnet werden. Bilaterale Vergleichsverhandlungen zwischen einer betroffenen Person und dem Bistum Hildesheim würden dieses etablierte Verfahren beschädigen.

Wie hat das Bistum Hildesheim auf die Klage reagiert?

Das Bistum Hildesheim hat in seiner Klageerwiderung gefordert, die Klage von Herrn Windel abzuweisen. Es erhebt in diesem Zusammenhang u.a. auch die Einrede der Verjährung. Damit wahrt das Bistum Hildesheim seine Rechte als Prozesspartei nach der Zivilprozessordnung.

Warum erhebt das Bistum Hildesheim im Fall Windel die Einrede der Verjährung?

Das Bistum Hildesheim kann keine Aussagen dazu machen, ob die Schilderungen der sexualisierten Gewalt, die Herr Windel gemacht hat, zutreffend sind. Deshalb erhebt das Bistum Hildesheim die Einrede der Verjährung. Würde die Diözese auf die Einrede der Verjährung verzichten, würde dies vor Gericht als Zustimmung gewertet werden, dass sich die Schilderungen der sexualisierten Gewalt so zugetragen haben, wie Herr Windel dies angegeben hat.

Im Bistum Hildesheim liegen keine schriftlichen Quellen und auch keine anderweitigen Hinweise dazu vor, dass der Priester Christian S. sexualisierte Gewalt gegen Herrn Windel ausgeübt hat. In anderen Fällen hat das Bistum Hildesheim Hinweise darauf, dass Christian S. sexualisierte Gewalt gegenüber Minderjährigen verübt hat, weshalb das Bistum auch nicht grundsätzlich bestritten hat, dass er ein Täter war.

In dem anstehenden Zivilprozess erwartet das Bistum Hildesheim nun, dass durch das Gericht Klarheit, Objektivität und Transparenz für alle Beteiligten hergestellt werden können. Dem Gericht obliegt es, zu prüfen, ob und inwieweit die Ansprüche des Klägers Jens Windel berechtigt sind.

Das Gericht wird in diesem Kontext auch zu klären haben, ob von Herrn Windel Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Bistum Hildesheim geltend gemacht werden können. Die Diözese bestreitet dies unter anderem deshalb, weil rechtlich nicht eindeutig geklärt ist, ob die gesetzlichen Regelungen für Amtshaftungsansprüche vorliegend überhaupt anwendbar sind und gegebenenfalls auch, weil sich die mutmaßlichen Taten im schulischen oder privaten Kontext ereignet haben könnten. Der beschuldigte Priester hat den Kläger in der Grundschule im Fach Religion unterrichtet.

Betroffene haben den klaren Wunsch geäußert, dass die Bistümer grundsätzlich auf die Einrede der Verjährung verzichten. Warum macht das Bistum Hildesheim dies nicht?

Das Bistum Hildesheim nimmt die Wünsche und Forderungen der Betroffenen grundsätzlich sehr ernst. Die Diözese bemüht sich nach Kräften darum, den Betroffenen im Rahmen des Möglichen zu helfen. Das schließt die Unterstützung durch materielle Leistungen ausdrücklich mit ein. Gleichzeitig müssen die Ansprüche der Betroffenen mit allen anderen berechtigten Belangen abgewogen und ausgeglichen werden. Die Bistumsleitung hat die Verpflichtung, mit den Kirchensteuereinnahmen verantwortungsbewusst umzugehen. Alle Zahlungen an Betroffene werden mit Mitteln aus der Kirchensteuer getätigt.

Ein grundsätzlicher Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann unter Umständen als Verstoß gegen die Verpflichtung des Bischofs und der Bistumsleistung gewertet werden, mit dem ihnen anvertrauten Geld sorgsam umzugehen, was wiederum auch Klagen nach sich ziehen könnte. Ob das Bistum Hildesheim in einem Zivilprozess die Einrede der Verjährung erhebt oder nicht, wird stets eine Einzelfallentscheidung sein.

Ist es moralisch fragwürdig, wenn das Bistum Hildesheim vor Gericht die Einrede der Verjährung geltend macht?

Das Bistum Hildesheim stellt sich seiner moralischen Verantwortung. Deshalb sorgt die Diözese für ein engmaschiges System in der Prävention, für zügige und klare Intervention bei Verdachtsfällen und für umfangreiche externe Studien in der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt. Die katholische Kirche in Deutschland ist auf diesen Feldern inzwischen weiter als viele andere gesellschaftliche Institutionen. Auch das UKA-Verfahren ist ein im Vergleich mit anderen Institutionen einzigartiges Instrument, das die Kirche geschaffen hat, weil sie sich ihrer moralischen Verantwortung bewusst ist.

Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen, dessen Folgen die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang beeinträchtigen können. Deshalb haben die deutschen Bistümer das einheitliche und unabhängige UKA-Verfahren eingerichtet, in dem die Kirche materielle Leistungen freiwillig und unabhängig von den Regeln eines Zivilprozesses erbringt. Dabei wird, anders als in einem gerichtlichen Verfahren, lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt und kein Beweis im juristischen Sinne gefordert. Die Verjährung spielt keine Rolle. Die Zahlungen orientieren sich an Urteilen zu Schmerzensgeldern staatlicher Gerichte in vergleichbaren Fällen.

Vor Gericht gelten für die Klägerinnen und Kläger sowie für die Beklagten die Regeln des staatlichen Rechts. Die Einrede der Verjährung ist ein legitimes juristisches Instrument im deutschen Rechtsstaat. In einem gerade entschiedenen vergleichbaren Fall in Aachen hat sich das Gericht sehr ausführlich mit der Frage der Verjährung auseinandergesetzt und auch entschieden, dass es nicht treuwidrig ist, wenn sich die Kirche auf die Einrede der Verjährung beruft.

Glaubt das Bistum Hildesheim Herrn Windel seine Schilderungen des Geschehenen?

Herr Windel hat im Rahmen eines UKA-Verfahrens eine materielle Leistung in Anerkennung des Leids erhalten. Zuvor haben die UKA und auch das Bistum Hildesheim die Angaben von Herrn Windel als plausibel eingestuft. Dies ist etwas völlig anderes als ein Beweis vor Gericht.

Worin unterscheidet sich das UKA-Verfahren von einem Verfahren vor einem staatlichen Gericht?

Das Anerkennungsverfahren der UKA unterscheidet sich klar von einem Zivilverfahren. Die Sachverhalte werden nicht juristisch aufgearbeitet. Aufgrund der subjektiven Schilderung der jeweils betroffenen Person wird lediglich eine grobe Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Plausibilität vorgenommen. Für diesen Zweck wird im Bistum Hildesheim regelmäßig das Bistumsarchiv eingeschaltet, um eine Recherche dahingehend zu tätigen, ob etwa zeitliche Zusammenhänge oder Orte mit den Angaben der Betroffenen übereinstimmen. Wenn sich durch eine solche Recherche beispielsweise belegen lässt, dass eine beschuldigte Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort war, an dem auch die betroffene Person gewesen ist, wäre dies ein Hinweis auf eine Plausibilität.

Die Schilderungen der Betroffenen werden dagegen nicht juristisch bewertet. Rechtliche Fragen, etwa die Anwendbarkeit von Amtshaftungsansprüchen oder die Verjährung, spielen im UKA-Verfahren überhaupt keine Rolle. Das UKA-Verfahren beinhaltet in Form der Zahlung eine freiwillige Leistung der Kirche, die unabhängig von Rechtsansprüchen erbracht wird.

Daran wird auch deutlich: Das UKA-Verfahren ist eine Form der Seelsorge, also ein pastorales Instrument, das nicht mit dem Beschreiten des Rechtswegs verglichen werden kann. Vor Gericht muss die klagende Person Beweis führen, da es hier um formale Rechtsansprüche geht. In der Schwierigkeit der Beweisführung liegt häufig ein Problem für die Betroffenen, da es sich um im Raum stehende Taten handelt, die meist Jahrzehnte zurückliegen. Diesem Problem soll mit dem UKA-Verfahren begegnet werden, bei dem auch keine Verjährungsfristen gelten.

Warum beharrt das Bistum Hildesheim auf dem UKA-Verfahren und lehnt außergerichtliche Vergleichsverhandlungen mit Betroffenen ab?

Das UKA-Verfahren ist bundesweit einheitlich und unabhängig, weil die Zahlungen an Betroffene durch ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium festgelegt und angeordnet werden. Das UKA-Verfahren ist ein außergerichtlicher Weg für Betroffene, um materielle Leistungen zu erhalten. Solche Zahlungen können nicht zwischen Betroffenen und Institution ausgehandelt werden, weil es sonst jeweils zu einem Handel der Kirche mit einer betroffenen Person darüber kommen würde, wie viel Geld für das jeweilige Leid im Einzelfall angemessen ist. Deshalb gibt es mit der UKA eine unabhängige Instanz, die eine Empfehlung über die Höhe der Summe ausspricht. Bisher ist das Bistum Hildesheim in jedem Einzelfall der Empfehlung der UKA gefolgt. Vergleichsverhandlungen zwischen einer betroffenen Person und dem Bistum Hildesheim würden dieses etablierte Verfahren beschädigen und entwerten.